Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
diesem Zustand abgefunden und gelernt hatte, mit seinem Leid zu leben, hatten ein paar Sekunden ausgereicht, um seine Wunden erneut aufzureißen. Zorn gegen diese Frau, die ihm solche Qualen bereitete, stieg in ihm auf.
Isabelle erschien ihm noch schöner und begehrenswerter als früher. Sie hatte ihre jugendliche Frische bewahrt, aber ihre Schönheit war aufgeblüht. Mit ihrem runden Mund, der Brust, die sich rasch hob und senkte und ihrer samtweichen Haut strahlte sie eine aufstörende Sinnlichkeit aus. War es die Ehe, die ihr so gut bekam? Die Brise spielte in ihren goldblonden Locken, deren Schimmer durch das rötliche Licht der untergehenden Sonne noch verstärkt wurde. Ihr süßlicher, zuckriger Duft mischte sich mit den Gerüchen, die vom Fluss aufstiegen. Er schloss die Augen, um sich davon durchdringen zu lassen.
Bilder stiegen auf, von denen er geglaubt hatte, sie sicher in einem Winkel seiner Erinnerungen verschlossen zu haben. Er zog eine Grimasse, die seinen inneren Aufruhr verriet, fasste sich aber sofort wieder. Auf keinen Fall durfte er ihr enthüllen, was er empfand. Sie hatte ihn verraten, und ihre Gründe waren ihm völlig gleich. Und außerdem, warum hatte sie ihn kommen lassen, wenn sie nicht vorhatte, dieses Leid wieder zu schüren, das zu dämpfen ihn so lange Zeit gekostet hatte? Nein, er würde sie nicht gewähren lassen. Das konnte kein Wort, keine Tat wiedergutmachen. Nichts! Vor ihm stand Madame Larue. Isabelle Lacroix war tot, und er trug Trauer um sie.
»Was wollt Ihr von mir, Madame, das nicht warten kann und solche Diskretion erfordert? Ich glaube kaum, dass Euer … Mann Euch geschickt hat, weil noch einige Klauseln an meinem Vertrag geändert werden müssen …«
»Ich wollte… dir alles erklären … dir die Gründe nennen …«
»Gründe?«
Er baute sich vor ihr auf.
»Ja, für diese … Heirat. Man hat mir keine Wahl gelassen, Alex, du musst mir glauben! Ich schwöre dir, dass ich das nicht wollte!«
Mit einem zitternden Finger strich sie über ihren Anhänger, ein goldenes Netz, in das eine Perle eingeschlossen war und der an einem schmalen Band um ihren Hals hing. Er schaute auf das Schmuckstück und schätzte seine Qualität und seinen Wert ab. Dann lachte er schallend, um seine Verwirrung zu verbergen.
»Nein, natürlich nicht! Geld … ist Euch ja gleichgültig. Wie dumm ich bin! Allerdings, Madame Larue, ist Euer Gatte ein sehr ansehnlicher Mann … der Euch schön zu kleiden und zu schmücken versteht. Mit alldem lasst Ihr wohl keinen Mann kalt …«
»Schmuck und alles andere sind mir gleich, das weißt du doch, Alex.«
»Ja natürlich, Schmuck aus Horn oder Bronze jedenfalls!«
»Sei doch nicht so sarkastisch, Alex. Ich bin mir sicher, dass du nicht wirklich denkst, was du sagst. Ich verstehe, dass du den Wunsch hast, mich zu verletzen, aber das ist nicht anständig von dir …«
Isabelle war blass geworden. Sie sah Alexander mit einer Mischung aus Furcht und Verblüffung an.
»Anstand? Ha, ha, ha! Was ist schon Anstand? Wisst Ihr das vielleicht?«
Dass sie von dieser Eigenschaft sprach, brachte ihn außer sich. Er packte die junge Frau am Handgelenk und zerquetschte es fast, ohne es zu merken. Sie stöhnte und versuchte sich loszumachen. Aber er hielt sie fest und trat an sie heran, bis er ihren Atem auf seinem Hals spürte. Er roch an ihrem Haar, das unter der Spitzenhaube und einem Strohhut, den sie darüber trug, hervorquoll. Das Rosa ihres Mieders betonte ihre cremeweiße Haut mit den perlmuttfarben schimmernden Reflexen. In Gedanken streichelte er sie … Er schloss die Augen, um sich wieder zu fassen.
Seine Nase streifte ihre duftenden Locken, seine Lippen strichen über ihre samtige Stirn. Die Berührung durchfuhr ihn wie ein Blitz, und er spürte, wie sein ganzer Körper in Erregung geriet. Sie schluchzte auf und schlug die Augen nieder. Er spürte, wie sie unter seiner Hand, die um ihre Taille lag, erschauerte. Dieses Luder! Sie provozierte ihn! Aber sie hatte nicht das Recht, ihn so leiden zu lassen! Er sah eisigen Blickes auf sie hinunter und bemühte sich, arrogante Verachtung auszustrahlen.
»Was wollt Ihr von mir?«, zischte er. »Was erwartet Ihr heute von mir, nach dem, was Ihr getan habt? Ein schönes Spiel habt Ihr mit mir getrieben! Ihr habt dafür gesorgt, dass ich verrückt vor Liebe zu Euch war, um mich dann fortzuschicken wie einen Hund! Aber im Lauf der Zeit hat sich die Wunde geschlossen… Mein Leben hat einen anderen
Weitere Kostenlose Bücher