Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
gegen seinen Drang, zu ihr zu gehen. Wäre es nicht besser, alles zu lassen, wie es war? Vier Jahre hatte er gebraucht, bis seine Wunden geheilt waren. Und ausgerechnet jetzt, da er glaubte, es endlich geschafft zu haben, musste er sie wiedersehen … Seit dem Tag, an dem er den Vertrag unterschrieben hatte, stieg die Vergangenheit erneut in ihm auf und tat ihm weh. Erneut war er wie besessen von Isabelle. Sein ganzer Körper verkrampfte sich vor Hass und Abscheu. Er sah nur zu deutlich vor sich, wie die junge Frau in den Armen dieses Pierre Larue lag, der im Übrigen nicht unsympathisch war.
Alexander hasste sich dafür, dass er sie immer noch liebte. Er hasste sie dafür, dass sie diese Liebe beschmutzt hatte und so mit seinen Gefühlen spielte. Wusste sie denn nicht, welche Wirkung ihre Kleidung auf ihn hatte, die ihre schmale Taille betonte, diese Frisur, die so wunderschön ihren Nacken und ihre Schultern freiließ? Sie hatte sich gut vorbereitet, nachdem sie ihm die kleine Indianerin mit dem Briefchen geschickt hatte, das er seit dem Vormittag zwischen den Fingern zerknüllte. Verdammt sollst du sein, Isabelle Lacroix!
Die Frau richtete sich auf und sah sich um. Sie war ungeduldig. Alexanders Herz begann rascher zu schlagen. Er musste sich entscheiden. Endlich trat er aus dem Schatten und bewegte sich zögernden Schrittes voran. Sie warf einen Kieselstein, der durch die spiegelglatte Wasseroberfläche schlug. Er holte tief Luft, um sich Mut zu machen, und schloss kurz die Augen, um sich dieses letzte Bild von ihr einzuprägen. Sie bückte sich und nahm einen flachen Stein. Dann richtete sie sich geschmeidig auf und verhielt regungslos. Nur ein paar Schritte trennten ihn von ihr, aber mit einem Mal fürchtete er sich, sie zurückzulegen.
Das Papier knisterte in seiner Hand. Wieder sah er Isabelles Unterschrift vor sich. Direkt darunter hatte sie eine Lilie gezeichnet, die ihm wohl bedeuten sollte, dass der Brief keine Falle war, die ihm ein eifersüchtiger Ehemann stellte. Wenigstens … wünschte er, es wäre so.
Es knirschte im Sand, einmal, zweimal. Mit wehenden Röcken fuhr Isabelle herum. Die beiden hielten den Atem an und musterten sich in einem Schweigen, in dem aufgewühlte Gefühle schwangen. Der Stein, den sie in der Hand hielt, fiel zu Boden. Alexander stand vor ihr. Er trug Kniehosen aus grobem braunem Stoff, die an den Schenkeln und Knien abgeschabt waren, und ein Hemd, das an vielen Stellen Flecken hatte; dazu eine alte Weste aus grauem Wollstoff unter einem schwarzen Rock und einen verbeulten Dreispitz aus Filz. Er war glattrasiert und roch gut nach Seife.
Sie hielt sich zurück, um sich nicht in seine Arme zu werfen, diese Arme, von denen sie sich so oft vorgestellt hatte, wie sie sich um sie schlossen. Am liebsten hätte sie die Wange an seine Brust gelegt, sein Gesicht in die Hände genommen und ihm gesagt, wie leer ihr Leben ohne ihn war … Aber das alles unterließ sie, weil sie fürchtete, er könne von neuem verschwinden. Sie stand so still da, wie sie es angesichts des Sturms von Gefühlen, der in ihr tobte, vermochte.
»Du bist gekommen«, flüsterte sie.
»Madame Larue …«, sagte er und neigte leicht den Kopf, ohne sie aus den Augen zu lassen.
»Alex … Wir … müssen reden. Ich glaube … also … ich weiß, dass du böse auf mich bist.«
Ihr böse sein? Das war eine gelungene Untertreibung!
»Was wisst Ihr, Madame, von meinen Gefühlen?«
Sein schneidender Tonfall ließ sie zusammenzucken.
»Nicht so, Alex, ich bitte dich …«
Er musterte sie wortlos. Kurz meinte sie zu sehen, wie seine schönen Lippen sich zu einem Lächeln verzogen. Aber das war nur eine Illusion. Er legte weiter diese eisige Gelassenheit an den Tag, die sie verletzte wie ein Messerstich. Wie naiv von ihr zu glauben, dass er sie anhören, dass er verstehen würde, dass sie nicht selbst über ihr Leben bestimmen konnte. Eine Frau gehorchte und ordnete sich unter. Wusste er das etwa nicht? Sie reckte Schultern und Kinn und hielt seinem Blick stand. Wie er wollte. Dann würde sie es eben aushalten!
Isabelles plötzliche selbstbewusste Haltung verwirrte Alexander. Um gegen die Schwäche anzukämpfen, die ihn zu überwältigen drohte, setzte er sich in Bewegung. Er umkreiste sie wie ein Wolf seine Beute, beobachtete sie und suchte nach einer Schwachstelle, die er ausnutzen konnte, um ihr wehzutun. Gott, wie es schmerzte, sie wiederzusehen! Nach all diesen Jahren, in denen er sich mit
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