Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung
Handschrift eines Chirurgen.
»Sie ist nicht allein«, flüsterte er und streckte einen Finger aus, um das Postscriptum nachzuzeichnen, das wieder in Jamies krakeliger Schrift verfasst war. »Keiner von ihnen ist allein. Und ob sie ein Dach über dem Kopf haben oder nicht – sie sind beide zu Hause.«
ICH LEGTE DEN BRIEF BEISEITE. ZEIT GENUG, IHN SPÄTER ZU BEENDEN, DACHTE ich. Ich hatte während der letzten Tage nur daran gearbeitet, wenn es meine Zeit zuließ; es war ja schließlich nicht so, als hätten wir Eile gehabt, den Briefkasten vor der Leerung zu erwischen. Ich lächelte ein wenig bei diesem Gedanken, faltete die Blätter vorsichtig zusammen und und steckte sie in meine neue Arbeitstasche, um sie dort aufzubewahren. Ich wischte den Federkiel sauber und legte ihn beiseite, dann rieb ich mir die schmerzenden Finger und erfreute mich noch einen Moment an dem sehnsüchtigen Gefühl der Nähe, das ich beim Schreiben empfand. Mir fiel das Schreiben sehr viel leichter als Jamie, aber Fleisch und Blut hatten nun einmal ihre Grenzen, und es war ein sehr langer Tag gewesen.
Ich blickte zu dem Strohlager auf der anderen Seite des Kaminfeuers hinüber, wie ich es alle paar Minuten machte, doch sie war ruhig. Ich konnte ihre Atmung hören, ein keuchendes Gurgeln, das in derart langen Abständen kam, dass ich jedes Mal hätte schwören können, sie wäre zwischendurch gestorben. Doch das war sie nicht, und meiner Einschätzung nach würde es auch in nächster Zeit nicht geschehen. Ich hoffte nur, dass sie sterben würde, bevor mein begrenzter Vorrat an Laudanum zu Ende ging.
Ich wusste nicht, wie alt sie war; sie sah aus wie hundert oder so, doch es war gut möglich, dass sie jünger war als ich. Ihre beiden jugendlichen Enkelsöhne hatten sie vor zwei Tagen hergebracht. Sie kamen aus den Bergen und hatten vorgehabt, ihre Großmutter zu Verwandten in Cross Creek zu bringen, bevor sie nach Wilmington weiterzogen, um sich dort der Miliz anzuschließen. Doch es hatte ihre Großmutter »böse erwischt«, wie sie es ausdrückten, und jemand hatte ihnen erzählt, dass es in Fraser’s Ridge eine Heilerin gab. Also hatten sie sie zu mir gebracht.
Großmütterchen MacLeod – einen anderen Namen hatte ich nicht für sie; die Jungen hatten nicht daran gedacht, ihn mir zu sagen, bevor sie wieder aufbrachen, und ihr Zustand erlaubte es nicht, dass sie es selbst tat – hatte mit großer
Sicherheit irgendeine Krebsart im Endstadium. Ihr Körper war abgemagert, ihr Gesicht selbst in der Bewusstlosigkeit vor Schmerz verzerrt, und ich konnte es dem Grauton ihrer Haut ansehen.
Das Feuer war heruntergebrannt; ich sollte es wieder anfachen und einen frischen Kiefernscheit auflegen. Doch Jamies Kopf ruhte an meinem Knie. Konnte ich den Holzstapel erreichen, ohne ihn zu stören? Ich legte ihm sacht die Hand auf die Schulter, um mich abzustützen, und reckte mich, bis ich mit den Fingerspitzen gerade eben an das Ende eines kleinen Scheites gelangte. Ich bohrte mir die Zähne in die Unterlippe, während ich das Holzstück vorsichtig befreite, und schaffte es, mich so weit vorzubeugen, dass ich es in den Kamin stoßen konnte. Schwarzrote Glut stob auf, und die Funken stiegen in Wolken auf.
Jamie regte sich unter meiner Hand und murmelte etwas Unverständliches, doch als ich dann das Holz ganz in das Feuer schob und mich wieder in meinem Sessel zurücklehnte, seufzte er, machte es sich erneut bequem und sank abermals in den Schlaf.
Ich blickte zur Tür und lauschte, hörte aber nichts außer dem Rascheln der Bäume im Wind. Natürlich, dachte ich, es konnte nichts zu hören geben, denn es war schließlich Ian, auf den ich wartete.
Er und Jamie hielten abwechselnd Wache, versteckt zwischen den Bäumen oberhalb der verbrannten Ruine des Haupthauses. Ian war seit über zwei Stunden draußen; es war Zeit, dass er hereinkam, um etwas zu essen und sich am Feuer zu wärmen.
»Jemand hat versucht, die weiße Sau umzubringen«, hatte er vor drei Tagen mit verwunderter Miene beim Frühstück verkündet.
»Was?« Ich reichte ihm eine Schüssel Porridge, der mit einem Klümpchen schmelzender Butter und etwas Honig garniert war – zum Glück waren meine Honigfässchen und die Kisten mit dem Bienenwachs im Kühlhaus gewesen, als sich der Brand ereignete. »Bist du sicher?«
Er nickte, während er das Schüsselchen entgegennahm und selig den Dampf einatmete.
»Aye, sie hat eine Schnittwunde an der Flanke. Nicht tief, und sie ist schon
Weitere Kostenlose Bücher