Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung
Maultiers neben Clarence herging, hin und wieder die Arme reckte, um zu verhindern, dass die Ladung verrutschte; er sah mich und winkte lächelnd. Das in seine Wange eingebrannte »M« war selbst aus dieser Entfernung sichtbar und malte sich bläulich auf seiner kältegeröteten Haut ab.
Ich winkte zurück und wandte mich dem Inneren des Hauses zu, um den Frauen zu sagen, dass es in der Tat eine Beerdigung geben würde.
AM NÄCHSTEN MORGEN STIEGEN WIR DEN GEWUNDENEN PFAD ZU DEM kleinen Friedhof hinauf. Die beiden alten Damen, die einander so merkwürdige Gefährtinnen im Tode waren, lagen Seite an Seite in ihren Särgen auf einem Schlitten, der von Clarence und von einer kleinen schwarzen Maultierstute namens Puddin’ gezogen wurde, die einer von Amys Schwägerinnen gehörte.
Wir trugen keinen Sonntagsstaat; niemand hatte mehr einen Sonntagsstaat, mit Ausnahme von Amy McCallum Higgins, die als Zeichen des Respekts ihr
spitzenbesetztes Halstuch angelegt hatte. Doch wir waren weitgehend sauber, und die Erwachsenen sahen nüchtern aus und wachsam. Sehr wachsam.
»Welche von ihnen wird die neue Wächterin, Mama?«, fragte Aidan seine Mutter und warf einen Blick auf die beiden Särge, während der Schlitten langsam vor uns bergauf ächzte. »Wer ist zuletzt gestorben?«
»Oh … ich weiß nicht, Aidan«, erwiderte Amy mit etwas verblüffter Miene. Sie starrte stirnrunzelnd auf die Särge, dann sah sie mich an. »Wisst Ihr es, Mrs. Fraser?«
Diese Frage traf mich, als hätte mich jemand mit einem Kieselstein beworfen, und ich blinzelte mit den Augen. Natürlich wusste ich es, aber – mit einiger Anstrengung verkniff ich mir den Blick auf die Bäume, die den Pfad säumten. Ich hatte keine Ahnung, wo sich Arch Bug genau befand, doch er war in der Nähe, daran hatte ich keinen Zweifel. Und wenn er so nah war, dass er dieses Gespräch mit anhörte …
In den Highlands gab es den Aberglauben, dass der letzte Tote, der auf einem Friedhof beerdigt wurde, der Wächter wurde und die Seelen, die dort ruhten, gegen alles Böse verteidigen musste, bis jemand anders starb und an seine Stelle trat – woraufhin der bisherige Wächter entlassen wurde und in den Himmel fahren konnte. Ich glaubte nicht, dass Arch besonders glücklich über die Vorstellung sein würde, dass seine Frau auf der Erde gefangen war, um die Gräber von Presbyterianern und von Sündern wie Malva Christie zu hüten.
Bei dem Gedanken an Malva wurde mir ein wenig kalt ums Herz – schließlich war sie es, die dem Glauben nach die augenblickliche Hüterin des Friedhofs war. »Dem Glauben nach«, weil seit ihrem Tod zwar noch mehr Menschen in Fraser’s Ridge gestorben waren, doch sie war die Letzte, die tatsächlich auf dem Friedhof beerdigt worden war. Ihr Bruder Allan lag in der Nähe, ein Stückchen weiter im Wald in einem geheimen, anonymen Grab; ich wusste nicht, ob das auch zählte. Und ihr Vater …
Ich hustete in meine Faust, räusperte mich und sagte: »Oh, Mrs. MacLeod. Sie war tot, als wir mit Mrs. Bug zurückgekommen sind.« Was streng genommen die Wahrheit war; die Tatsache, dass sie schon tot gewesen war, als ich die Hütte verließ, schien mir nicht hierhinzugehören.
Ich hatte Amy angesehen, während ich redete. Ich wandte den Kopf zurück auf den Pfad, und da stand er, direkt vor mir. Arch Bug in seinem schwarzbraunen Umhang; den weißhaarigen Kopf entblößt und gesenkt, folgte er dem Schlitten durch den Schnee, langsam wie ein Rabe am Boden. Ein schwacher Schauder durchlief die Trauernden, und Amy schlug mit großen Augen die Hände vor ihren Kugelbauch, weil sie fürchtete, sein Anblick könnte ihrem Kind schaden.
Er wandte den Kopf und sah mich an.
»Würdet Ihr etwas singen, Mrs. Fraser?«, fragte er mit leiser, höflicher Stimme. »Ich möchte gern, dass sie so zu Grabe getragen wird, wie es Brauch ist.«
»Ich – ja, natürlich.« Völlig durcheinander suchte ich nach etwas Passendem.
Ich war absolut nicht imstande, ein richtiges Caithris zu verfassen, einen Totengesang – von den offiziellen Klagelauten eines echten, erstklassigen Highland-Begräbnisses ganz zu schweigen.
Ich beschied mich hastig mit einem gälischen Lied, das Roger mir beigebracht hatte, ›Is e Dia fèin a’s buachaill dhomh‹. Es war weniger ein Lied als vielmehr ein Versgesang, ein vertonter Psalm, der dazu gedacht war, von einem Priester vorgesungen und dann von der Gemeinde wiederholt zu werden. Doch es war ein einfacher Gesang, und während mir
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