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Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung

Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung

Titel: Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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mehr ganz so alltäglich war.
    »Er hat die Ohren an den Türsturz meines Ziegenstalls genagelt«, sagte sie in
einem Tonfall, mit dem andere Leute ihr Frühstück beschrieben. »Schön hoch, sodass die Ziegen sie nicht erreichen konnten. Sie verschrumpeln in der Sonne, wisst Ihr, wie getrocknete Pilze.«
    »Ah«, sagte ich. Mir kam die Idee anzumerken, dass man diesem kleinen Problem vorbeugen konnte, indem man das abgetrennte Ohr räucherte, doch dann überlegte ich es mir anders. Ich wusste nicht, ob Ian sein Rechtsanwaltsohr immer noch in seinem Sporran aufbewahrte, doch ich war mir einigermaßen sicher, dass er es nicht begrüßen würde, wenn sich Mrs. Raven plötzlich brennend dafür interessierte.
    »Es heißt, die Indianer schneiden ihren Gefangenen Körperteile ab«, sagte sie und senkte die Stimme, als verriete sie ein Geheimnis. »Die Finger zuerst, Glied um Glied.«
    »Wie abstoßend«, sagte ich. »Bitte geht zur Vorratskammer und holt mir einen Beutel frische Watte, ja?«
    Sie ging gehorsam davon – wie immer -, doch ich glaubte zu hören, wie sie unterwegs vor sich hin murmelte. Und als die Tage dann vorankrochen und im Fort die Spannung stieg, war ich sogar zunehmend davon überzeugt.
    Die Sprünge in ihren Gesprächen wurden größer – und wilder. Inzwischen reichten ihre Themen von der fernen Vergangenheit ihrer idealisierten Kindheit in Maryland bis hin zu einer nicht minder fernen Zukunft – und zwar einer grauenvollen Variante, in der wir alle entweder von der britischen Armee umgebracht oder von Indianern gefangen genommen worden waren. Das hatte Konsequenzen von der Vergewaltigung bis hin zur Verstümmelung – oftmals zur selben Zeit, obwohl ich ihr sagte, dass die meisten Männer weder über die dazu nötige Konzentration noch über das Koordinationsvermögen verfügten. Noch konnte sie sich auf etwas konzentrieren, was sich direkt vor ihren Augen abspielte, jedoch nicht lange.
    »Glaubst du, du könntest mit ihrem Mann sprechen?«, fragte ich Jamie, der bei Sonnenuntergang zu mir gekommen war, um mir zu sagen, dass er gesehen hatte, wie sie immer wieder im Kreis um die große Zisterne in der Nähe des Exerzierplatzes herumgelaufen war und dabei leise vor sich hin gezählt hatte.
    »Meinst du, er hat noch nicht gemerkt, dass seine Frau den Verstand verliert?«, erwiderte er. »Wenn nicht, dann denke ich nicht, dass er es besonders zu schätzen wüsste, wenn ihn jemand darauf aufmerksam macht. Und falls doch«, fügte er in aller Logik hinzu, »was soll er dagegen tun?«
    Tatsächlich konnte niemand etwas Sinnvolles dagegen tun, außer sie im Auge zu behalten und zu versuchen, ihre lebhafteren Visionen zu lindern – oder zumindest darauf zu achten, dass sie nicht vor den besonders ängstlichen Patienten davon sprach.
    Doch je weiter die Tage voranschritten, desto weniger auffallend erschienen uns Mrs. Ravens exzentrische Anwandlungen im Vergleich mit der Nervosität der meisten anderen Fortbewohner, vor allem der Frauen, denen nichts anderes zu tun übrig blieb, als sich um ihre Kinder zu kümmern, die Wäsche zu waschen
– schwer bewacht am Seeufer oder in kleinen Pulks an den dampfenden Kesseln – und zu warten.
    Im Wald war es nicht mehr sicher; vor ein paar Tagen waren zwei Männer der Feldwache nicht mehr als eine Meile vom Fort entfernt ermordet und skalpiert aufgefunden worden. Diese grauenvolle Entdeckung traf Mrs. Raven zwar am schlimmsten, doch ich konnte nicht behaupten, dass sie meinem eigenen Mut besonders förderlich war. Vorbei die Zeit, in der ich von den Geschützstellungen aus hinuntergeblickt und mich an den endlosen Meilen dichten Grüns erfreut hatte; genau diese Lebenskraft des Waldes schien jetzt zur Bedrohung zu werden. Ich legte nach wie vor Wert auf saubere Wäsche, doch meine Haut kribbelte unangenehm, wann immer ich das Fort verließ.
    »Noch dreizehn Tage«, sagte ich und glitt mit dem Finger über den Türpfosten unseres kleinen Heiligtums. Jamie hatte kommentarlos für jeden Tag des Milizdienstes ein Kerbe hineingeritzt, die er abends mit dem Messer durchstrich, wenn er zu Bett ging. »Hast du eigentlich im Gefängnis die Tage auch gezählt?«
    »Nicht in Fort William oder in der Bastille«, sagte er nachdenklich. »Ardsmuir … aye, damals haben wir es getan. Es gab zwar keine Strafdauer zum Mitrechnen, aber … man verliert so vieles so schnell. Es kam uns wichtig vor, irgendetwas im Griff zu behalten, und wenn es nur der Wochentag war.«
    Er trat an

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