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Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung

Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung

Titel: Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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zerbrach – und er schloss die Augen, um die Tränen zurückzuhalten.
Seine Arme fassten fester zu, als ob er unwillkürlich versuchte, Ian von dem Abgrund zurückzuhalten, der nur zu deutlich zu seinen Füßen gähnte.
    All meine Knochen kann ich zählen. Das Bibelzitat stahl sich ungebeten in meinen Kopf. Es traf buchstäblich zu; unter dem Stoff seines Hemdes malten sich seine Rippen so deutlich ab, dass ich dort, wo sie sich mit den vorstehenden Wirbeln seines Rückgrats verbanden, die Gelenke sehen konnte.
    »Wie lange?«, entfuhr es mir, an Jenny gewandt, die die Männer beobachtete. Auch in ihren Augen glänzten unvergossene Tränen. »Wie lange hat er es schon?«
    Sie blinzelte und schluckte.
    »Seit Jahren«, antwortete sie dann jedoch ruhig. »Er hat den Husten aus dem Tolbooth in Edinburgh mitgebracht und ist ihn nie wieder losgeworden. Aber im letzten Jahr ist es schlimmer geworden.«
    Ich nickte. Ein chronischer Fall also, das war immerhin etwas. Die akute Form – die man »galoppierende Schwindsucht« nannte – hätte ihn innerhalb von Monaten dahingerafft.
    Sie stellte mir dieselbe Frage wie ich ihr, doch mit einer anderen Bedeutung.
    »Wie lange?«, sagte sie so leise, dass ich sie kaum hörte. »Wie lange hat er noch?«
    »Ich weiß es nicht«, flüsterte ich genauso leise. »Aber … nicht mehr lange.«
    Sie nickte; sie hatte es längst gewusst.
    »Nur gut, dass ihr rechtzeitig gekommen seid«, sagte sie nüchtern.
    Der jüngere Ian hatte den Blick nicht von seinem Vater abgewandt, seit wir das Zimmer betreten hatten. Der Schock war ihm deutlich anzusehen, doch er behielt sich fest im Griff.
    »Pa«, sagte er, und seine Stimme war so heiser, dass ihm das Wort als ersticktes Krächzen entfuhr. Er räusperte sich heftig, wiederholte: »Pa«, und trat vor. Der ältere Ian sah seinen Sohn an, und sein Gesicht begann vor Freude so zu leuchten, dass die Spuren der Krankheit und des Leidens verschwanden.
    »O Ian«, sagte er und streckte die Arme aus. »Mein Junge!«
     
    ES WAREN DIE HIGHLANDS. UND ES WAREN IAN UND JENNY. WAS BEDEUTETE, dass Dinge, um die andere aus Verwirrung oder um des lieben Friedens willen einen Bogen gemacht hätten, unverzüglich angesprochen wurden.
    »Möglich, dass ich morgen sterbe; möglich, dass es noch ein Jahr dauert«, erklärte Ian unverblümt bei Marmeladenbroten und Tee, die man hastig aus der Küche herbeigezaubert hatte, um die erschöpften Reisenden bis zum Abendessen über Wasser zu halten. »Falls jemand wetten möchte, setze ich fünf gegen zwei darauf, dass es drei Monate werden. Obwohl ich nicht weiß, wie ich dann meinen Gewinn einstreichen soll.« Er grinste, und plötzlich lugte der alte Ian aus seinem Totenkopf hervor.
    Unter den Erwachsenen machte ein Murmeln die Runde, in dem Gelächter
mitschwang. Im Zimmer drängten sich viele Gesichter, denn der Ruf, der das Brot und die Marmelade zutage gefördert hatte, hatte auch sämtliche Einwohner Lallybrochs aus den Zimmern und Winkeln des Hauses geholt. Donnernd waren sie die Treppe heruntergepoltert, weil sie es kaum abwarten konnten, den verlorenen Sohn zu begrüßen und wieder aufzunehmen. Die Zuneigung seiner Familie hatte Ian beinahe umgeworfen. Und so unmittelbar nach dem Schock, seinen Vater zu sehen, hatte es ihm vollends die Sprache verschlagen, obwohl er unverwandt lächelte, total hilflos angesichts ihrer tausend Fragen und Ausrufe.
    Jenny hatte ihn schließlich aus dem Tumult gerettet, indem sie ihn bei der Hand nahm und ihn entschlossen mit seinem Vater ins Wohnzimmer schob, um dann mit den anderen in den Flur zu gehen und den Aufruhr mit blitzenden Blicken und einem unmissverständlichen Wort zu beenden, bevor sie sie in Reih und Glied erneut hineinführte.
    Der jüngere Jamie – Ians und Jennys Ältester und Jamies Namensvetter – lebte jetzt mit Frau und Kindern in Lallybroch, genau wie seine Schwester Maggie und ihre beiden Kinder – ihr Mann war Soldat. Jamie war auf dem Hof unterwegs, doch die Frauen setzten sich zu mir. Sämtliche Kinder drängten sich mit größter Neugier um Ian und stellten ihm so viele Fragen, dass diese in der Luft zusammenstießen und die Kinder sich zu streiten begannen, wer zuerst gefragt hatte und zuerst eine Antwort bekommen sollte.
    Die Kinder hatten den Worten seines Vaters keine Beachtung geschenkt. Sie wussten schon, dass Opa im Sterben lag, und die Tatsache war uninteressant im Vergleich mit der Anwesenheit ihres faszinierenden neuen Onkels. Ein kleines

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