Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung
Stück Schnur fest zusammen.
Ich spürte Jamies Blick auf mir und sah auf. Er sagte nichts, lächelte aber schwach, und seine Augen waren warm. Im ersten Moment wurde mir leichter ums Herz – dann verkrampfte es sich wieder, denn ich fragte mich, was er wohl denken würde, wenn es zum Schlimmsten kam und ich gezwungen war … Doch er hatte den Stich der Angst in meinem Gesicht gesehen, und ohne den Blick von mir abzuwenden, holte er wortlos den Rosenkranz aus seinem Sporran und fing schweigend an, die Perlen zu zählen, deren abgenutztes Holz ihm langsam durch die Finger glitt.
ZWEI NÄCHTE SPÄTER FUHR ICH AUS DEM SCHLAF,WEIL ICH DRAUSSENAUF dem Pfad Schritte hörte, und ich war schon auf den Beinen und halb angezogen, bevor Jos Klopfen an der Tür ertönte. Jamie ließ ihn ein; ich hörte, wie sie sich murmelnd unterhielten, während ich unter der Kaminbank nach meinem Bündel tastete. Jo klang aufgeregt, ein wenig besorgt – aber nicht panisch. Das war gut; hätte Lizzie Angst gehabt oder sich in ernsthaften Schwierigkeiten befunden, hätte er das sofort gewusst – die Zwillinge hatten fast dasselbe Gespür für Lizzies Stimmungen und für ihr Wohlergehen, wie sie es füreinander hatten.
»Soll ich mitkommen?«, flüsterte Jamie, der plötzlich neben mir auftauchte.
»Nein«, erwiderte ich leise und berührte ihn, damit er mir Kraft spendete. »Geh wieder schlafen. Ich lasse dich holen, wenn ich dich brauche.«
Er war vom Schlaf zerzaust, und die Glut des Feuers malte ihm Schatten ins Haar, doch sein Blick war hellwach. Er nickte und küsste meine Stirn, doch statt zurückzutreten, legte er mir die Hand auf den Kopf und flüsterte: »O seliger Michael aus dem roten Reich«, dann berührte er zum Abschied meine Wange.
»Wir sehen uns morgen früh, Sassenach«, sagte er und schob mich sanft zur Tür.
Zu meiner Überraschung schneite es draußen. Der Himmel war grau und lichterfüllt, und in der Luft tanzten riesige, wirbelnde Flocken, die mein Gesicht streiften und auf meiner Haut schmolzen. Es war eine Wetterlaune des Frühlings; ich konnte sehen, wie sich die Flocken kurz auf den Grashalmen niederließen und dann unsichtbar wurden. Am Morgen würde der Schnee wahrscheinlich spurlos verschwunden sein, doch jetzt erfüllte er die Nacht wie ein Geheimnis. Ich drehte mich um, um zurückzublicken, doch ich konnte die Hütte hinter uns nicht sehen – nur die Umrisse halb verborgener Bäume, unsicher im perlgrauen Licht. Der Weg vor uns sah ebenfalls unwirklich aus und verlor sich zwischen seltsamen Bäumen und fremden Schatten.
Ich fühlte mich merkwürdig körperlos, gefangen zwischen der Vergangenheit und der Zukunft, und ich sah nichts außer der wirbelnden weißen Stille, die mich umgab. Und doch hatte ich mich seit Tagen nicht mehr so ruhig gefühlt. Ich spürte Jamies Händedruck auf meinem Kopf und seinen geflüsterten Segensspruch. O seliger Michael aus dem roten Reich …
Es war der Segen, den man einem Krieger gab, der in die Schlacht zog. Ich hatte ihn schon mehr als einmal über Jamie gesprochen. Er selbst hatte so etwas noch nie getan, und ich hatte keine Ahnung, was ihn heute dazu bewogen hatte – doch die Worte glühten in meinem Herzen, ein kleiner Schutzschild gegen die Gefahren, die mich erwarteten.
Inzwischen bedeckte der Schnee den Boden mit einer dünnen Decke, die die dunkle Erde und das junge Wachstum unter sich verbarg. Jos Füße hinterließen deutliche schwarze Abdrücke, denen ich bergauf folgte. Die Nadeln der Fichten strichen kalt und duftend über meine Röcke, während ich der lebendigen Stille lauschte, die wie eine Glocke widerhallte.
Wenn es je eine Nacht gab, in der die Engel auf der Erde wandelten, so betete ich, dass es diese war.
DER FUSSWEG ZUR HÜTTE DER BEARDSLEYS DAUERTE FAST EINE STUNDE – BEI Tageslicht und gutem Wetter. Doch die Angst beschleunigte meine Schritte, und Jo – ich glaubte jedenfalls, dass es Jo war – hatte Mühe mitzuhalten.
»Wie lange hat sie schon Wehen?«, fragte ich. Man konnte ja nie wissen, aber Lizzies erste Geburt war sehr schnell gegangen; sie hatte den kleinen Rodney ganz allein und ohne jeden Zwischenfall zur Welt gebracht. Ich glaubte nicht, dass wir heute Nacht auch solches Glück haben würden, obwohl ich nicht verhindern konnte, dass sich mein Kopf ausmalte, wie Lizzie bei unserem Eintreffen das neue Baby schon im Arm hatte, nachdem es ganz von selbst heil herausgeflutscht war.
»Noch nicht lange«, keuchte er. »Ihre
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