Highland Secrets
dass dich mir fast entrissen hätte, damit mir das klar wurde«, sagte sie heiser. »Als ich dich in den Nachrichten gesehen habe, kam das Zugunglück und all das Leid wieder hoch. Ich hatte das Gefühl, als würde alles noch mal passieren. Ich kann dir nicht sagen, wie erleichtert ich bin, dass es dir gut geht. Kannst du einer dummen alten Frau verzeihen?«
Ich war wie gelähmt. Ich hatte mit Vorwürfen und noch mehr Abweisung gerechnet, aber nicht damit. Diese Wendung kam völlig unerwartet für mich. Ich nahm meine Großmutter in die Arme und war erstaunt, über die Wärme, die sich in mir ausbreitete. »Danke«, sagte ich zu ihr. »Das habe ich wirklich gebraucht.«
Nachdem wir noch ein ige Minuten zusammen geheult hatten und Alice mir immer wieder beteuert hatte, wie sehr sie ihr Verhalten bereute, und dass sie immer sehr stolz auf mich gewesen war, sollte ich ihr erzählen, was passiert war.
Ich ließ die genaueren Details zu Adam aus und sie merkte wohl, dass ich das tat, weil ich Adam noch nicht verarbeitet hatte, deswegen fragte sie auch nicht weiter nach. Alles andere schilderte ich so gut es mir möglich war und ich errichtete dabei nicht einmal meinen emotionalen Schutzwall, von dem ich sonst immer Gebrauch machte. Es war schmerzhaft, alles, was ich erlebt hatte, noch einmal durch gehen, aber auch befreiend, es mit jemandem teilen zu können, der mir aufmerksam zuhörte, mir Trost spendete und nicht mit grimmiger, abweisender Miene neben mir saß. Genau das hätte ich mir von Adam gewünscht. Aber vielleicht war Adam zu nahe an den Geschehnissen dran gewesen, um ein guter Zuhörer zu sein. Ich hoffte für ihn, dass er das Erlebte nicht in sich verschloss, sondern einen Weg fand, es zu verarbeiten.
In den nächsten Wochen hatte ich mehrere Termine bei meiner Therapeutin. Anfangs fühlte ich mich ständig verfolgt. Überall wo ich hinging, hatte ich das Gefühl, beobachtet zu werden. Ständig musste ich mich umdrehen und mich davon überzeugen, dass weder Alfred noch Molly in der Nähe waren. Mit der Zeit ließ dieses Gefühl nach und irgendwann konnte ich sogar wieder ohne Festbeleuchtung in meiner Wohnung einschlafen. Meine Großmutter hatte mir angeboten, einige Zeit bei ihr einzuziehen, aber ich hielt es für das Beste, von Anfang an zu versuchen, alleine zurechtzukommen.
Ein Gefühl , das nicht nachließ, war die Sehnsucht nach Adam. Auch wenn ich noch so sehr versuchte, nicht an ihn zu denken. Die Erinnerungen an seine Küsse, kamen unkontrolliert und ließen meinen Magen flattern oder verwandelten mein Höschen wie von Zauberhand in ein Feuchtbiotop. Ich vermisste ihn und wünschte mir mehrmals täglich, er würde auftauchen und mich in seine starken Arme reißen.
Auf diese Sehnsucht folgte dann die Wut auf ihn, weil er sich nicht einmal gemeldet hatte. Nicht einmal, um zu erfahren, wie es mir ging. Mittlerweile, war ich mir aber sicher, dass er nicht gelogen hatte, als er gesagt hatte, dass er Molly belogen hatte, was seine Gefühle für mich betraf. Wenn er wirklich etwas für mich empfunden hätte, dann hätte er sich nach mir erkundigt. Wahrscheinlich war es sogar besser so. Es würde mir helfen, ihn schneller zu vergessen.
Mein Verhältnis zu meiner Großmutter hatte sich deutlich verbessert seit unserem Gespräch. Wir verabredeten uns regelmäßig zum Shoppen oder in ein Café. Es war schön, jemand zu haben, mit dem ich über all die Dinge sprechen konnte, die passiert waren. Ich hatte ihr irgendwann auch alles von Adam erzählt. Und sie gestand, sie wäre schon neugierig auf den Mann gewesen, der mich aus meinem Schneckenhaus gelockt hätte. Ich hatte das Gefühl, dass auch ihr unsere Gespräche guttaten.
Einen Monat nach den Vorfällen auf der Isle of Skye trat ich meine neue Arbeitsstelle an. Ich empfand es gar nicht mehr als so schlimm, dass das Museum nur ein kleines unbedeut endes war. Meine Kollegen waren alle sehr freundlich und das Klima war familiär. Entspannteres Arbeiten konnte man sich nicht wünschen. Auch heute Morgen befand ich mich wieder auf dem Weg ins Museum. Die neue Ausstellung zum Thema »Darstellung von Engeln im Wandel der Jahrhunderte« war bei den Besuchern sehr beliebt, weil die Gemälde so vielfältig waren.
»Guten Morgen, Engelchen«, begrüßte mich Tom mit einem Feixen im Gesicht, das von einem seiner Ohren bis zum anderen reichte. Engelchen war sein neuer Spitzname für mich, weil er fand, ich sehe einem rothaarigen Engel auf einem Gemälde von
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