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Hilf mir, Jacques Cousteau: Roman (German Edition)

Hilf mir, Jacques Cousteau: Roman (German Edition)

Titel: Hilf mir, Jacques Cousteau: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gil Adamson
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Wieder andere spähen aus Durchgängen wie Schwindsüchtige, blass, mit kümmerlichen Stielen, die Blätter von Katzen zu Fetzen gekaut.
    »Sie haben aber echt einen grünen Daumen, Mrs. …«, beginne ich, und im selben Moment saust eine Bierflasche über den Zaun und landet mit einem Pling auf dem Rasen. Es ist die Marke, die mein Vater trinkt.
    »Da!«, schreit Mrs. Baze triumphierend. Sie fixiert mich mit ihrem seltsamen Blick. » Du bist meine Zeugin.«
    Das ist der Moment, auf den Mrs. Baze gewartet hat. Elektrisiert springt sie vom Sessel hoch, schüttelt über Keksen und Teetassen ihre kleinen Fäuste und stößt wilde Beschimpfungen aus. Der Papagei steht auf der Kuppel seines Käfigs, mit dem Fuß an den Ring gebunden, und flattert wie zum Spott mit den Flügeln. Nicht zu fassen – Hippies werfen tatsächlich Flaschen über ihren Zaun!
    »Oh!«, ruft Mrs. Baze, als hätte jemand sie geohrfeigt, »oh!« Ich halte die klirrenden Teller fest. Und blase Flocken trockener Federn weg, die auf meinen Tee zusegeln.
    Hinter den Blumen, dem Efeu und den hängenden Weiden, hinter den gedämpften Laufschritten des flüchtenden Flaschenwerfers höre ich das leise Kichern meines Bruders.

III
    ––––

Bumerang
    Meine Mutter beschließt, meinen Erinnerungen an Mr. Whitnell auf die Sprünge zu helfen. Sie selbst hat ein ausgezeichnetes Gedächtnis und findet, die Natur habe mich benachteiligt, weil ich mir nie etwas merken kann, zumindest nicht in der richtigen Reihenfolge. Auch weiß ich selten, ob ich es wirklich erlebt oder nur irgendwo aufgeschnappt habe. Mit einer Mutter wie der meinen werden eigene Erinnerungen überflüssig.
    Ich gehe manchmal am späten Nachmittag zu ihr, dann schenkt sie mir eine Tasse von ihrem Kaffee ein, der einen ganz rappelig macht. In letzter Zeit hat sie sich meine Kindheitserinnerungen vorgenommen, stochert in mir herum und gräbt seelische Wunden und Erschütterungen aus, die ich nur vage als meine eigenen wiedererkenne. Ein ständiger Kampf: meine Mutter gegen den Nebel in meinem Kopf.
    Heute geht es um Mr. Whitnell, der früher in unserer Straße wohnte und, so will es meine Mutter, »nachts schreiend durch die Gegend lief«. Er wohnte sechs Häuser weiter, in einem kleinen, blau und grün gestrichenen Bungalow. Er litt an einer Alterskrankheit, vielleicht war das Problem aber schon sein ganzes Leben latent vorhanden. Wie auch immer, man hörte öfters Tumult in seinem Haus, hörte Dinge zu Bruch gehen, hörte seine Schwester seinen Namen rufen, ein ums andere Mal, wie ein Papagei.
    »Und dann knallt eine Tür«, sagt meine Mutter. »Er läuft hinaus, die Straße rauf und runter, mit lautem Geheul. Willst du wirklich behaupten, du weißt das nicht mehr?«
    Ich sage, nein, ich weiß es nicht mehr, und meine Mutter sieht mich eine Weile schweigend an.
    »Bei allem, was länger zurückliegt als eine Woche, tust du dich schwer, was?«
    Das gebe ich gern zu, zum vierhundertsten Mal. Ich erinnere mich in Technicolor an letzte Woche, aber auch die wird schnell verblassen. Ein paar Bruchstücke aus meiner Kindheit sind mir aber doch noch im Gedächtnis, zum Beispiel, dass ich jede einzelne Sekunde Grundschule hasste, vor allem die Pausen, wenn ich rausgehen und mit Kindern, die ich nicht kannte, »schön spielen« sollte. Es gab Hunde und Katzen, die mir näher waren als die meisten Mädchen meiner Schule. Ich erinnere mich an den Wechsel der Jahreszeiten. Ich erinnere mich, wie einmal ein Zahnarzt kam und einen Vortrag hielt. Er hatte einen riesigen Plastikzahn dabei und eine noch riesigere rote Zahnbürste, und ich erinnere mich, dass ihm der Zahn auf den Boden gefallen ist.
    »Na, schaut euch das mal an!« Der Zahnarzt versuchte, sein Missgeschick zu überspielen. »Seht ihr, wie stark der Zahnschmelz ist?«
    Und ich erinnere mich an die Sommer bei uns, an die Bäume, die ihr Laub üppig über den Gehwegen entfalteten, an die Ahornpropeller, die an meinen Schuhsohlen, auf dem Gehweg und morgens auf den Windschutzscheiben geparkter Autos pickten. Alle Leute schienen gleichzeitig Kinder zu kriegen, alle in meinem Alter. Nach einer Weile kriegten die Leute noch mehr Kinder, die alle so alt waren wie mein Bruder. Das kann wohl nicht wirklich so gewesen sein, aber so habe ich es im Kopf.
    Mein Vater hat einen Bumerang, einen echten; er lehnt auf dem Kaminsims, als wäre jemand nach dem Erlegen eines Kängurus hereingekommen und hätte ihn dort abgestellt. Früher hat mein Vater grobe

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