Hilf mir, liebes Hausgespenst!
Meuterei. Die Matrosen hatten erst ihren Kapitän und dann sich später gegenseitig umgebracht.“
„Ganz schön unheimlich.“
„Das fanden unsere Schiffbrüchigen auch. Aber nachdem sie den ersten Schock überwunden hatten, segelten sie zuerst mal munter los in Richtung Küste. Erst als es Abend wurde, zogen sie sich in die Kapitänskajüte zurück, die zum Glück leer war, und schrieben lauter Koransprüche draußen an die Tür.“
„Koransprüche? Was sind denn das für Sprüche?“
„Der Koran ist so was Ähnliches wie die Bibel... die Bibel der Mohammedaner, verstehst du. Die Schiffbrüchigen waren Mohammedaner. Na ja, und in der Nacht ging es dann los. Krach, Flüche, Getrampel an Deck!“
„Aber wieso denn?“ fragte Monika. „Die waren doch alle tot!“
„Sie waren Mörder oder zumindest eines gewaltsamen Todes gestorben. Deshalb mußten sie in der Nacht gespenstern. Der alte Mann und der Junge erlebten die ganze Meuterei, den Ausbruch von Gewalt und Haß, in der Kajüte noch einmal mit.“
„Furchtbar!“ sagte Monika mitfühlend.
„Das Schlimmste kommt noch! Als sie am nächsten Morgen zaghaft wieder an Deck kamen, lagen die Toten alle wieder auf ihren Plätzen, und das Schiff war die ganze Strecke, die sie sich am Tag der Küste genähert hatten, in entgegengesetzter Richtung wieder zurückgefahren.“
„So ’ne Gemeinheit!“
„Ja. Zuerst versuchten sie also die Toten über Deck zu schmeißen. An eine richtige Beerdigung war ja nicht zu denken, aber auf See ist es ja sowieso Sitte, die Toten im Meer zu versenken.“
„Aber erst näht man sie in einen Sack!“ stellte Monika richtig. „In so einem Notfall wäre es sicher auch ohne Sack gegangen. Nur ließen die Toten sich nicht von der Stelle bewegen. Sie lagen starr und steif wie angeleimt. Der tote Kapitän stand wie eine Eins an den Mast geklebt.“
„Huh, ganz schön unheimlich! Und wie geht’s weiter?“
„Der Mann und der Junge machten noch drei Tage lang dasselbe durch. Tags segelten sie mit geblähten Segeln in Richtung Heimat, und nachts wurden die Gespenster wach, brachten sich gegenseitig wieder um und segelten aufs Meer hinaus.“
„Und dann?“
„Hatte der Mann eine Idee. Er segelte überhaupt nicht mehr, sondern machte sich mit dem Jungen daran, lauter Koransprüche auf Papier zu schreiben, und diese Koransprüche legte er dann auf die Toten.“
„Das half?“
„Ja, in der nächsten Nacht geschah nichts, am Tag darauf segelten der Mann und der Junge wieder los, und nach einiger Zeit landeten sie wirklich glücklich in einem Hafen.“
Monika stand auf. „Man kann also auch mit Koransprüchen Geister bannen.“
„Ja, wenn die Geschichte wahr ist.“
„Bloß kenne ich gar keine.“ Monika seufzte leicht. „Sag mal, wie ist das denn nun ausgegangen? Ich meine, der Mann und der Junge, die waren glücklich im Hafen. Aber was wurde aus dem Schiff? Haben Sie es angesteckt?“
„O nein, dazu war es viel zu kostbar. Sie hatten eine bessere Idee. Sie haben den Mast, an dem der Kapitän festsaß, und die Bretter mit den anderen Toten herausgesägt und an Land bringen lassen. Kaum war das geschehen, schrumpelten die Toten von einer Minute zur anderen zusammen und wurden zu Staub und Erde.“
„Dann müssen sie aber schon sehr lange gesegelt sein!“
„Ja, das nahmen alle an. Deshalb gab es auch niemanden, der Anspruch auf das schöne Schiff erheben konnte und auf all die Schätze an Bord, Gold und Silber und ich weiß nicht was. Es war ein Seeräuberschiff gewesen, weißt du.“
Monika kam eine Idee. „Ob es in unserem Haus auch einen Schatz gibt? Einen Schatz, der von Amadeus bewacht wird?“ Ingrid zuckte die Schultern. „Möchtest du denn so einen Schatz haben?“
Monika dachte nach. „Lieber nicht... oder höchstens so groß, daß ich mir ein Pferd davon kaufen kann. Aber jetzt kommt ja erst mal Bodo. Willst du ihn dir ansehen?“
„Was hast du denn gedacht?“
Lachend gab Ingrid ihr einen freundschaftlichen Rippenstoß, und in Gedanken an Bodo trennten sich die Mädchen trotz aller Geistergeschichten in allerbester Laune.
Wenn das nur gutgeht!
Am Nachmittag — Monika war noch nicht mit ihren Hausaufgaben fertig — begann Kaspar laut zu bellen. Er bellte mit tiefer, kräftiger und, wie Monika fand, ungemein sympathischer Stimme.
Sofort dachte Monika, daß etwas los sein müßte und eilte zum Fenster. Sie sah, wie draußen ein Tiertransporter vorfuhr.
„Hurra!“ schrie sie. „Das ist
Weitere Kostenlose Bücher