Hilflos in deinen Armen
asketisch der Burgvogt im Hinblick auf seine Kleidung auch wirken mochte: was die Annehmlichkeiten des Wohnens anbelangt, hatte er mehr mit einem morgenländischen Potentaten gemein denn mit einem englischen Freien. Die Bettvorhänge waren aus Seide, die Eichenmöbel glänzend poliert und mit kunstvollen Schnitzereien versehen. Ein üppiger, bunt gemusterter Teppich bedeckte den Boden.
„Es ist Euch also wirklich verboten, die Burg zu verlassen?“, fragte de Fenelon den Knappen. Er gab sich dabei den Anschein, als sei er zutiefst betroffen und voller Verständnis für das Genörgel des Junkers.
Der Burgvogt, der sich bisher noch nicht geäußert hatte, starrte in seinen Becher, als sei er mehr am Wein interessiert als an der Unterhaltung.
„An sich schon, es sei denn, ich bin in seiner Begleitung“, brummte Frederic mürrisch. Wen er mit „seiner“ meinte, brauchte er nicht zu erklären. „Er beobachtet mich den ganzen Tag mit Argusaugen. Ich darf nicht mal in den Garten, ohne ihn vorher zu verständigen. Und schlafen muss ich im Burgsaal. Aber wer tut schon ein Auge zu bei dem Geschnarche? Wenn Ihr mich fragt: So eine Bestrafung ist unter der Würde eines Edelmanns. Da hätte ich mich lieber auspeitschen lassen.“ Der Knappe nahm einen Schluck Wein. „Heute musste ich dem Waffenschmied zur Hand gehen. Ich! Der ich in Bälde die Ritterwürde erhalte und nach dem Tod meines Vaters Herr über ein riesiges Lehen werde!“ Er schob dem Weinhändler den Becher hin. „Wollt Ihr wissen, was ich denke?“
„Ihr werdet es mir sicher gleich sagen.“
„Er schikaniert mich, damit ich von allein abhaue. Weil die Burgherrin sauer auf mich ist, und vor der hat er Manschetten. Von wegen tapferer Held! Pah!“ Er rümpfte die Nase. „Wenn mein Vater wüsste, wie Bayard mich triezt, würde er ihm die Ohren abschneiden!“
„Warum kehrt Ihr denn dann nicht zu Eurem Herrn Vater zurück?“, fragte de Fenelon, derweil er ihm nachschenkte.
„Damit Bayard sagen kann, ich wäre ausgerissen? Das fehlte noch!“
„Da ist was Wahres dran. Dabei habt Ihr ja gar nichts Schlimmes verbrochen. Also, ich glaube, das Mädel hat’s drauf angelegt. Machen sie doch alle, und hinterher brüllen sie Zeter und Mordio und Schändung!“
„Davon war aber nicht die Rede“, wandte Frederic ein. „Sie hat nicht behauptet, ich hätte ihr Gewalt angetan.“
„Habt Ihr ja auch nicht. Und wenn sie’s Euch doch vorgeworfen hätte, dann hättet Ihr gesagt: Wieso konnte sie denn dann gar nicht genug bekommen?“ Der Weinhändler zwinkerte dem Jungen zu. „Offenbar wisst Ihr, wie’s geht!“
Während Frederic noch vor Stolz strahlte, ließ der Burgvogt auf einmal die Hand mit dem Weinbecher vorschnellen. „Ihr habt ganz recht“, knurrte er dabei, die Stimme schon leicht lallend. „Genau so sind sie, die Weiber. Sie legen es drauf an. Und fasst man sie an, werden sie kalt wie eine Hundeschnauze!“ Er gestikulierte mit dem Becher, sodass der rote Saft über den Rand schwappte und den Teppich befleckte, was den Kastellan indes nicht zu kümmern schien. „Aber bezüglich Bayard irrt Ihr Euch. Der hat kein bisschen Angst vor ihr, der Lumpenhund. Im Gegenteil, der versucht, sie ins Bett zu kriegen. Sieht doch jeder – nur sie nicht.“ Aus blutunterlaufenen Augen glotzte er die beiden wutentbrannt an. „Ich habe sie immer für klug gehalten, aber blind ist sie, blind wie alle. Denn der Kerl benimmt sich wie der zweite Earl of Pembroke.“
„Was er auf keinen Fall ist“, ergänzte de Fenelon. „Was ich von dem gehört habe …“ Er schüttelte den Kopf, als sei er zu angewidert, um weiterzusprechen. In Wirklichkeit wartete er nur darauf, dass die beiden ihn drängten. Was Frederic auch nur zu begierig tat. „Nun, zum einen ist da die junge Gemahlin vom Duc d’Ormonde. Bayard hat sie verführt, obwohl der Gemahl ihm alle ritterlichen Ehren zuteil werden ließ. Aber wie der Vater, so der Sohn. Der Alte, so heißt es, war auch hinter jedem Rock her und konnte die Finger nicht von den Weibern lassen.“
„Lord Armand, der Bruder, der ist auch so ein stattliches Mannsbild, hm?“, lallte der Burgvogt, wobei er schon wieder seinen Becher hinhielt.
Na, dachte de Fenelon, wenn der so weitersäuft, muss ich das Zeug einteilen, sonst reicht es nicht mal übers Wochenende. „Ja, stimmt“, sagte er, „obwohl er die ganze Zeit wie ein Bauerntrampel angezogen herumläuft.“ Dabei fiel ihm zu spät ein, dass ja auch die Burgherrin
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