Hilflos in deinen Armen
erwähnt?“, erkundigte sich Kat, eine der jüngeren, eifrig. Entweder wurde ihr die plötzlich angespannte Atmosphäre nicht bewusst, oder sie war ihr egal, weil ihre Neugier auf Queen Isabel überwog.
Wahrscheinlich beides, vermutete Gillian, die aber dennoch heilfroh über den Themenwechsel war. „Nein, nicht in diesem Brief“, sagte sie.
„Wenigstens der König darf aus Liebe heiraten“, seufzte Kat und wandte sich wieder ihrem Flachskämmen zu.
„Der König? Der macht, was er will“,bekundete Hilda in einem Ton, der ziemlich deutlich verriet, wie wenig sie davon hielt. Dass Johann Ohneland als Herrscher nicht eben beliebt war, wusste jeder. Seine sprunghaften, eigensinnigen Entscheidungen waren auch Gillian ein Graus. Leider war er rechtmäßiger Regent; ein Umsturz hätte zweifelsohne noch mehr Unruhe für sie und ihre Untertanen zur Folge gehabt. Das Lehen wäre zum Zankapfel der streitenden Parteien geworden, ähnlich einem Batzen Fleisch, um den sich ein Rudel Wölfe balgt.
„So schlimm, wie er allenthalben dargestellt wird, wird er schon nicht sein“, meinte Kate hoffnungsvoll. „Also, wenn er die Zuneigung einer Frau gewinnt, muss er doch auch gute Seiten haben.“
„Ja klar“, warf eine andere lachend ein, „eine Krone!“
Schmollend bürstete Kat ihre Flachsfäden mit kurzen, heftigen Strichen. „Ich für meinen Teil glaube jedenfalls, dass es aus Liebe war.“
„Und Ihr, Mylady?“, wollte wieder eine andere wissen. „Was meint Ihr?“
„Ich möchte gern glauben, dass die Liebe diese Verbindung beseelt hat“, antwortete sie vorsichtig. „Möglich, dass sie tatsächlich eine Rolle spielte. Dennoch lässt sich nicht abstreiten, dass der König auch Vorteile aus dieser Ehe zieht. Eigentlich war Isabel schon Hugh the Brown versprochen. Indem aber John sie zu seiner Gemahlin erkor, kam er einer Allianz zuvor, die ihm sicher Verdruss bereitet hätte. Was nun Isabels Gefühle angeht – sie ist noch jünger als du, Kat; insofern hatte sie möglicherweise gar keine Wahl. Allerdings weiß ich von Adelaide, dass Isabel gern Königin ist, wie’s wohl die meisten Frauen wären. Vielleicht ist ihr das Ausgleich genug für die Dinge, die sie in ihrer Ehe ansonsten entbehren muss.“
Gillian legte den ausgekämmten Flachs in Hildas Korb und erhob sich. „So, jetzt muss ich aber zurück zur Burg.“ Sie wollte sich lieber nicht in noch mehr Streitgespräche über Ehe und König verwickeln lassen.
„Mylady!“, hallte ein Ruf von draußen.
Sie drehte sich um. An der offenen Tür stand einer der Torwächter. Sofort schlug ihr das Herz bis zum Hals, schwante ihr doch schon erneut Böses. Dennoch wahrte sie Haltung. „Was gibt es?“
„Ein Bote mit einer Nachricht von Eurer Frau Schwester.“
„Von welcher?“, fragte sie, indem sie, von einem unguten Gefühl erfasst, auf den Wachposten zutrat, der offenbar im Laufschritt vom Burgtor hergeeilt sein musste. Sein Gesicht war schweißüberströmt.
„Von Lady Elizabeth.“
Bemüht, die in ihr aufsteigende Besorgnis zu unterdrücken, redete sie sich ein, dass ihre Schwester wohl kaum in ernsten Schwierigkeiten stecken konnte. Sonst hätte sie keinen Boten geschickt. Vermutlich sandte sie nur eine Entschuldigung, weil sie es bisher nicht geschafft hatte, nach Hause zurückzukehren.
Dennoch eilte Gillian, ihre beiden Leibwächter auf den Fersen, geschwind zur Burg zurück. Vier Männer aus der Burgwehr, die Lizette damals auf ihrer Reise begleitet hatten, lungerten vor den Stallungen herum, wo der Stallmeister und die Stalljungen bereits die Gäule versorgten.
Einem der vier, ein Soldat namens Daniel, verging das Lachen, als er die Burgherrin auf sich zumarschieren sah.
„Wo ist sie?“
„In Stamford. Zumindest vor drei Tagen noch, Mylady.“ Daniel griff in den Lederbeutel an seiner Seite und zog einen versiegelten und gefalteten Pergamentbogen heraus. „Sie schickt Euch dieses Schreiben.“
In diesem Moment kam Dunstan von der Vorratskammer herüber. Die lange Tunika bauschte sich um seine Knöchel. Aus den Augenwinkeln bemerkte Gillian auch Sir Bayard und seinen Knappen, die unweit der Burgkapelle zur Übung die Klingen kreuzten. Sie war schon versucht, den Ritter hinzuzubitten, sah aber davon ab. Man brauchte ihn wohl nicht zu behelligen. Noch nicht.
„Kunde von Lizette“, erklärte sie ihrem Kastellan, wobei sie das Siegel brach und zu lesen begann.
Sie sei, so schrieb Lizette, empört über den plötzlichen Befehl, sofort
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