Hilflos in deinen Armen
Herstellen von Flachs war Knochenarbeit und ebenso beschwerlich wie das Mähen.
Die Frauen erwiderten ihr Lächeln. „Gott behüte Euch, Mylady“, antwortete eine ältere Magd. „Und Eure Schwestern desgleichen.“
Gillian bedankte sich und teilte dann ihren beiden Beschützern mit, sie mögen draußen warten, während sie in den langen, niedrigen Schuppen ging, in dem die Flachspflanzen nach der Rotte zum Trocknen ausgebreitet wurden. Am hinteren Ende waren Männer gerade dabei, die Stängel zu brechen. Im Mittelteil des Gebäudes saßen etliche Frauen auf kreisförmig aufgestellten Bänken und hechelten den zerkleinerten Flachs zu langen, seidigen Fasern. Als Gillian eintrat, verstummte das Stimmengewirr, bis die Burgherrin sich kurz entschlossen einen der Holzkämme schnappte und sich den Kämmerinnen anschloss.
Hilda, eine der Älteren und anerkannte Sprecherin des Grüppchens, rückte beiseite, um der Herrin auf der Bank Platz zu machen. „Gott zum Gruße, Mylady“, rief sie heiter.
Gillian nahm sich einen der Flachsstängel und begann zu kämmen. „Einen schönen Tag allerseits!“, sagte sie freundlich in die Runde. „Und? Gibt’s was Spannendes zu berichten?“
„Außer dass Sir Bayard dem Bäcker einen Heidenschrecken eingejagt hat, meint Ihr?“, erwiderte Hilda, zwar ernst im Ton, aber mit einem schelmischen Funkeln in den Augen. „Der liebe Gott steh mir bei, aber das wurde auch Zeit, dass einer kommt und diesen beiden Streithammeln mal zeigt, wo’s langgeht! Ständig diese Kabbeleien! Und nur wegen der Bertha!“
„Kam euch das Auftreten von Sir Bayard nicht vielleicht einen Tick zu martialisch vor?“, fragte Gillian, ohne dabei den Blick von ihrer Tätigkeit zu heben.
„Na, und ob, bei Gott!“, rief eine andere grinsend. „Mich hätte es fast aus den Pantinen gehauen. Aber nichts für ungut, Mylady, trotzdem wirkt der nicht annähernd so grimmig wie Ihr, wenn Ihr mal böse werdet. Wir dachten schon, Ihr würdet den armen Kerl am Ende des Tages bei lebendigem Leibe häuten!“
Da hatte sie sich ihre Wut wohl allzu deutlich anmerken lassen. „Die Leute sollen eben darauf vertrauen können, dass sie von mir auch angehört und gerecht behandelt werden.“
„Ach, das weiß doch auch jeder!“, versicherte Yllma, eine Frau in mittleren Jahren. „Schadet ja nix, wenn man ’nen starken Mann im Rücken hat, besonders wenn die beiden Streithähne mal wieder aufeinander losgehen.“ Seufzend schüttelte sie den Kopf, legte den gekämmten Flachs in einen neben ihr stehenden Korb und griff sich den nächsten Stängel. „Hab ich doch immer gesagt, dass die Bertha mal Ärger ohne Ende macht. Ein Flittchen war die! Dauernd hinter den Mannsleuten her!“
„Und selber hat sie sich auch gern mal haschen lassen!“, brummte Hilda, wobei sie die Mundwinkel abfällig senkte. „Nicht nur von einem!“
„Tja, war doch zu erwarten!“, fügte Yllma hinzu. „So scharf, wie die aufs Heiraten war!“
„Zu scharf!“, bemerkte Hilda.
„Apropos Heirat“, sagte Hilda, „wir wünschen Lady Adelaide viel Glück und alles Gute.“
Die Frauen lächelten und sahen Gillian erwartungsvoll an. Die musste sich ein Stöhnen verkneifen. Ihr wäre es lieber gewesen, die Frauen hätten ein anderes Thema als die Heirat gewählt. „Danke. Ich denke, sie ist sehr glücklich.“
„Wann kommt sie denn wohl mal nach Hause?“
„Das weiß ich nicht. Darüber hat sie nichts geschrieben.“
Die Frauen hielten inne und sahen Hilda gespannt an. Als müsse sie jetzt die unausgesprochene Frage formulieren, straffte Hilda die schmalen Schultern und fragte: „Wie ist der denn so, der neue Lord von Averette?“
„Es gibt keinen neuen Lord“, antwortete Gillian und ließ den Flachs auf den Schoß sinken, fest entschlossen, den Frauen klipp und klar Bescheid zu sagen. „Unabhängig von Lady Adelaides Eheschließung bin ich nach wie vor Herrin auf Averette. Meine Schwester wird Burgherrin auf dem Besitz ihres Gemahls.“
Die Frauen ließen hörbare Seufzer der Erleichterung vernehmen, und Hilda lächelte, wobei sie einige Zahnlücken blicken ließ. „Das haben wir uns gleich gedacht, Mylady, dass Eure Schwester keinen grausamen oder herzlosen Mann heiratet. Aber nach Eurem Herrn Vater …“
Sie führte den Satz nicht zu Ende. Man brauchte Lady Gillian nicht daran zu erinnern, dass ihr Vater ein bösartiger, gewalttätiger und selbstsüchtiger Tyrann gewesen war.
„Hat sie etwas über die Königin
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