Hilflos in deinen Armen
das Sagen, nicht er.“
Nachdenklich runzelte das Mädchen die Stirn, schüttelte dann aber den Kopf. „Lasst Ihn hier. Sir Bayard ist ein guter Mensch, da glaube ich, dass bei Frederic noch nicht Hopfen und Malz verloren sind. Ich glaube, von Sir Bayard kann er lernen, was ein echter höfischer Ritter ist.“
Gillian merkte, dass sie ebenso dachte. „Du wirst Frederic aber im Hof oder in der Halle über den Weg laufen“, mahnte sie.
„Müsste ich ihn auch bedienen?“
„Nein. Du hättest meine Erlaubnis, ihn völlig zu missachten.“
Dena rang sich ein unsicheres Lächeln ab, in dem allerdings auch ein Hauch von Genugtuung lag. „Das werde ich auch. Von mir aus kann er bleiben.“
Gillian stand auf. „Du ruhst dich weiter aus. Ich werde Sir Bayard mitteilen, dass sein Knappe nicht abzureisen braucht. Er darf aber nicht mit dir reden, sonst werfe ich ihn noch am selben Tag hinaus.“
Denas Gesicht, eben noch so resolut, zerfloss wieder voller Qual und Pein. „Ich werde mich nie, nie wieder verlieben!“ Schluchzend barg sie den Kopf in den Kissen.
Gillian wischte ihr eine kastanienbraune Locke von den verweinten Wangen. „Du bist zornig und aufgewühlt, aber du bist auch noch jung. Vielleicht kommt die Liebe ja …“
Wieder?
Flüsternd nistete sich das Wort in ihrem Herz und ihrem Kopf ein. Dabei war sie überzeugt gewesen, dass sie nach James’ Tod ihr Herz nie wieder verlieren werde. Jahrelang hatte sie sich das eingeredet, und als Adelaide damals jenes Gelöbnis der Ehelosigkeit vorschlug, war Gillian das Versprechen nicht schwergefallen.
Und jetzt?, wisperte ihr Herz. Bist du dir immer noch so sicher, dass du nie wieder wirst lieben können?
Die Antwort auf diese Frage lautete …
Nein.
Gillian verdrängte die Erkenntnis und eilte in den Rittersaal, wo Bayard wartend auf dem Podium auf und ab stapfte. Bei ihrem Kommen blieb er stehen und drehte sich zu ihr um. In seinen dunklen, durchdringenden Augen lag ein gespannter Ausdruck.
„Frederic darf bleiben. Dena hofft, Ihr könnt ihn lehren, wie man ein besserer Mensch wird.“ Leise fügte sie noch hinzu. „Und ich hoffe das auch.“
Bayard errötete, stieß aber dann einen Seufzer der Erleichterung aus. „Ich werde mein Bestes tun, Mylady.“
Gillian schaute sich um, ob irgendwelche Dienstboten in der Nähe waren. Solange es sich vermeiden ließ, wollte sie ihrer Zofe weiteres Leid ersparen. „Es könnte sein, dass Dena bereits in Umständen ist.“
„In dem Fall bleibt es bei meinem Versprechen“, versicherte er ebenso leise. „Entweder sorgt Frederic für Mutter und Kind, oder Kleidung, Nahrung und Unterkunft werden von mir gestellt.“
Daran zweifelte Gillian keinen Moment, aber sie traute sich nicht, es ihm geradeheraus zu sagen. Denn falls sie es täte – was würde ihre Miene möglicherweise verraten? „Ich danke Euch, Mylord. Wenn Ihr mich nun aber entschuldigen würdet? Ich habe noch viel zu tun. Diese missliche Angelegenheit hat mich meinen anderen Pflichten entzogen.“
Er nickte zustimmend und sah ihr nach.
Heute hatte er an Lady Gillian d’Averette eine ganz neue Seite entdeckt: Sanftmut und Großherzigkeit. Sie wäre durchaus berechtigt gewesen, das Mädchen aus der Burg zu weisen. Und doch hatte sie die junge Frau mit solcher Güte und solchem Mitgefühl behandelt, als könne sie sich sehr gut in sie und ihr Leid hineinversetzen.
Etwa zu gut?
Verhielt sie sich deshalb wohl so kühl gegenüber jedem Mann, mit dem sie zu tun hatte? War sie von einem enttäuscht worden? Ihrem Liebsten gar?
Bei seiner Ankunft auf Averette hätte er sich über die Frage, ob Lady Gillian überhaupt jemals einen Herzliebsten hatte, höchstens lustig gemacht. Jetzt hingegen … Jetzt hielt er es keineswegs mehr für ausgeschlossen.
Auf dem Weg zu seiner Kammer, um Frederic die gute Nachricht zu überbringen, rätselte er noch weiter über die Frage nach. Wie konnte einer so ein Glückspilz sein und das Herz einer solchen Frau gewinnen – um sie anschließend brutal und gefühllos zu verstoßen?
Drei Abende nach diesem Vorfall saßen Dunstan, Frederic und der Mann namens Charles de Fenelon bei einem Becher Rebensaft, den der Weinhändler spendiert hatte. Man traf sich in der geräumigen Kemenate des Kastellans, gelegen im Geschoss unter den herrschaftlichen Privatgemächern. In einem Winkel war eine Feuerstelle eingerichtet, in der ein Kohlenfeuerchen glomm; flackernder Schein huschte über die Gesichter der drei Männer.
So
Weitere Kostenlose Bücher