Hilflos in deinen Armen
schlafend auf dem Heuboden, in irgendeiner Vorratskammer oder in den Armen einer Dienstmagd. Hauptsache, es war ihm nichts passiert!
„Morgen, Männer!“, grüßte er die Wachen, Tom und Bran. Die beiden sahen ihn verwirrt an – kein Wunder angesichts der frühen Stunde. Er hatte indes gar nicht vor, ihnen Scherereien zu machen. „Habt ihr meinen Knappen gesehen?“
Die Posten wechselten einen verunsicherten Blick. „Aye, doch, Mylord“, stammelte Tom. „Am Ausfalltor. Ist schon ein Weilchen her. Er sagte, er muss ins Dorf, was für Euch erledigen. Stimmt doch, Bran, oder?“
„Genau so war’s, Mylord.“
„Kam euch das denn nicht seltsam vor, dass er runter ins Dorf wollte, obwohl es nicht mal zur Prime geläutet hatte?“
Tom starrte auf seine Stiefelspitze, sein Kamerad dagegen in die Ferne, als stünde die Antwort auf eine Wolke geschrieben.
„Er hat nicht verlauten lassen, wohin genau im Dorf er wollte?“
Beide schüttelten verneinend den Kopf.
„Und er war zu Fuß?“
„Jawohl, Mylord.“
„Kein Gepäck dabei?“
„Nein, Mylord.“
Demnach war nicht davon auszugehen, dass er zurück zu seinem Vater wollte. Vielleicht hatte er’s einfach satt, ständig bevormundet zu werden, und war deshalb aus Jux in den Weiler gelaufen. Hoffentlich war der Bursche nach den Ereignissen der letzten Tage gescheit genug und trieb sich dort nicht im Dunkeln herum. Und falls er sich nicht im Dorf aufhielt, musste eine groß angelegte Suche gestartet werden. Zwar waren berittene Männer inzwischen knapp, aber Frederic musste unbedingt gefunden werden. Und das möglichst schnell. „So, ihr zwei rennt sofort zur Schänke und guckt nach, ob er dort steckt. Falls nicht, fragt die Dörfler. Wenn keiner etwas weiß,kommt ihr sofort wieder her. Ich mache mich mit meinen Männern ebenfalls auf die Suche. Sollte ich nicht vor der Morgenpatrouille zurück sein, erstattet ihr Lindall Meldung.“
Die Wachposten guckten sich wieder unsicher an. Bayard konnte sich vorstellen, warum sie seinen Befehl nicht gerade begeistert aufnahmen. „Es ist mir egal, wie lange ihr hier schon auf Posten steht. Ihr habt ihn passieren lassen – also, dann sucht ihn auch gefälligst!“
Er ließ die beiden stehen und ging zum Burgsaal zurück. Wie er gehofft und gleichzeitig befürchtet hatte – wer überbringt schon gern eine Hiobsbotschaft? –, war Gillian bereits auf.
Als sie ihn sah, eilte sie auf ihn zu. „Was ist denn los?“, fragte sie mit unüberhörbarer Sorge in der Stimme.
Um sie nicht zu beunruhigen, spielte er Frederics Verschwinden herunter. Der Knappe sei jung, hochfahrend und übermütig, beschwichtigte er; bisher deute nichts auf üble Machenschaften hin. Nicht ausgeschlossen, dass der Schelm im Wirtshaus hocke oder sich irgendwo in der Burg vergnüge. „Der Bursche hat offensichtlich beschlossen, heute Morgen mal einen Abstecher ins Dorf zu unternehmen, und zwar ohne Genehmigung. Ich habe Tom und Bran losgeschickt, ihn zu holen. Ich möchte aber nicht wegen der Warterei die Frühpatrouille verzögern.“
So leicht ließ sie sich nicht hinters Licht führen. „Frederic ist fort, und Ihr schickt ganze zwei Männer auf die Suche? Wir müssen Suchtrupps bilden! Der Junge ist bei mir zu Gast! Ich bin verantwortlich dafür, dass …“
„Nein, für Frederic tragt Ihr keine Verantwortung. Jedenfalls nicht mehr als ich. Der Bengel ist ein Heißsporn, und in den letzten Tagen habe ich ihn ziemlich an die Kandare genommen. Möglich, dass er es einfach satt hatte und mal im Dorf die Puppen tanzen lassen wollte. Oder er will sich einfach nur beweisen.“
„Er musste aber doch wissen, dass seine Abwesenheit nicht unbemerkt bleiben würde.“
Bayard machte nun keinen Hehl mehr aus seiner Besorgnis. „Genau das geht mir nicht aus dem Kopf. Wenn er bloß ein Weilchen raus wollte, müsste er eigentlich längst zurück sein. Damit aus der Geschichte kein ernstes Vergehen wird. Ich habe den beiden Posten befohlen, sie sollen, wenn er nicht in der Dorfschänke sitzt, die Dörfler befragen und hinterher Lindall Bescheid geben.“
„So lange werde ich nicht warten. Wir beginnen unverzüglich eine gründliche Durchsuchung der Burg.“
Bayard sah ihr blasses Gesicht, die dunklen Ringe unter den sorgenvollen grünen Augen. „Dann bleibe ich und helfe hier bei der Suche. Ihr solltet Euch Ruhe gönnen.“
„Und Ihr besser Dunstans Mörder verfolgen! Die Suche nach Frederic und die Durchsuchung der Burg, die kann auch ich
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