Hilflos in deinen Armen
leiten.“ Mit Blicken flehte sie ihn um Verständnis an. „Ich kann doch nicht die Hände in den Schoß legen, Bayard!“
Er verstand nur zu gut, wie es in ihr aussah. Er konnte sich noch lebhaft erinnern, wie deprimiert er seinerzeit in der Burg des Duc d’Ormonde gewesen war. Und anfangs auch hier auf Averette. „Sehr wohl, Mylady, ganz wie Ihr befehlt.“
„Ich rede mit Dena. Vielleicht hat er ihr gegenüber etwas erwähnt. Über Verwandte oder Freunde, die hier in der Nähe wohnen.“
Bayard neigte den Kopf. „Auf später, Mylady. Ich hoffe, ich treffe dann hier auf einen reumütigen Knappen. Oder ich bringe ihn selber her.“
„Gesund und munter!“, flüsterte sie inständig. „So walte Gott! Gesund und wohlbehalten.“
Das hoffte auch Bayard – nicht allein seinetwegen oder um Frederics willen. Er wollte vielmehr vermeiden, dass Gillian sich noch mehr mit Gewissensbissen quälte, als sie es ohnehin schon tat. Sie hatte genug durchgemacht. Alles nur, weil er hier war.
Dena stand vor ihrer Herrin auf dem Podest und presste sich kopfschüttelnd die Hand auf den Bauch. „Nein, Mylady, ich habe keine Ahnung, warum er ins Dorf oder sonst wohin gegangen sein könnte. Es sei denn, er ist zur Schänke.“
„Ist er aber nicht“, murmelte Gillian, bemüht, sich ihre wachsende Sorge nicht anmerken zu lassen. Lindall war aus dem Weiler zurück mit der Meldung, die Schankmagd habe den jungen Mann an diesem Morgen nicht gesehen, ebenso wenig wie die Leute im Dorf. „Und du bist dir ganz sicher, dass er nie einen Verwandten erwähnt hat, der hier in der Nähe wohnt? Oder einen Freund, den er besuchen könnte?“
„Nein, nie, Mylady. Ihr glaubt doch nicht etwa, dass er in Gefahr ist?“ Sosehr die Magd ihren jungen Verführer hassen mochte – es war unübersehbar, dass sein Verschwinden sie nicht kalt ließ.
„Das will ich nicht hoffen“, erwiderte Gillian. Sie wollte zwar so ehrlich wie möglich sein, das Mädchen aber nicht unnötig ängstigen. Sich selber auch nicht.
Dennoch hatte sie Angst. Angst, Frederic könne aus unerfindlichen Gründen von Averette geflohen und von Dunstans Mördern gefasst worden sein. Womöglich brachten die den Jungen ebenso grausam um! „Du kannst nun gehen, Dena. Sobald ich etwas Neues weiß, lasse ich dir Bescheid geben.“
„Danke, Mylady. Ich hoffe … ich hoffe, es geht ihm gut … äh, ich hab ihm ja nie was Schlimmes gewünscht … auch wenn er mich …“
„Ich auch nicht.“
Gillian sah ihr nach und wandte sich dann an den Kellermeister, einen hageren, grauhaarigen Mann mittleren Alters, dessen Aufgabe es war, sich um den Wein und das Ale zu kümmern. In seinem braunen Kittel hatte er während des Gesprächs geduldig gewartet. Jetzt fuhr er sich mit der Hand über seinen Kinnbart. „Ich bringe nur ungern weitere schlechte Kunde, Mylady, aber es geht um den Wein, den Ihr von diesem de Fenelon gekauft habt. Der Gauner hat Euch betrogen.“
Einmal mehr spürte Gillian einen dumpfen Druck im Magen. „Betrogen? Wie das?“
„Mehr als die Hälfte der Fässer enthält nicht Wein, sondern Wasser.“
„Kann es sein, dass man sie zwischen der Lieferung und heute ausgewechselt hat?“, fragte sie.
„Glaube ich nicht“, erwiderte der Kellermeister. „Dazu sind es zu viele. Wenn’s zwei oder drei gewesen wären, dann könnte das gehen. Es sind aber fünfzehn. Der Burgvogt hat den Inhalt auch nicht überprüft“, fügte er an, wobei er sich auf die Unterlippe biss. „Sonst machte er das immer. Diesmal kam es mir so vor, als wäre es ihm ziemlich egal.“
Dunstan war eben nicht recht bei der Sache gewesen, genauso wenig wie sie, und nachlässig obendrein. „Ich schicke ein Kommando Soldaten ins Dorf. Die sollen mal schauen, ob der Weinhändler noch da ist. Wahrscheinlich ist er aber schon über alle Berge. Trotzdem: Vielleicht stellt sich heraus, wohin er wollte. Vorausgesetzt, er war dumm genug, sein Ziel zu erwähnen.“
Wenn jemand ein Einfaltspinsel war, so schalt sie sich stumm, dann du selbst! „Du kippst inzwischen die mit Wasser gefüllten Fässer aus und fragst mal nach, ob du vom Weinhändler im Dorf entsprechenden Nachschub bekommst.“
„Sehr wohl!“ Der Kellermeister tippte sich respektvoll an die Stirn und eilte davon, besorgt und erleichtert zugleich.
Da hast du so lange warten müssen, sinnierte sie, während sie ihm nachsah. So lange, bis du Averette hattest! Und was ist unter deiner Herrschaft herausgekommen? Sie war felsenfest
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