Hilflos in deinen Armen
Schwächen unserer Burgwehr auskundschaften will?“
Daran hatte Gillian nicht gedacht. Ihr wurde ganz flau. „Aber Averette hat doch keine Schwächen!“
„Es gibt immer etwas zu verbessern, Mylady“, mahnte Iain. „Da können die Männer noch so fleißig üben oder die Mauern verstärken.“
Gillian wusste, dass er recht hatte, aber aufgrund des Briefes und ihrer Stellung als Burgherrin konnte sie Sir Bayard nicht kurzerhand die Tür weisen. Es war ja nicht ausgeschlossen, dass der Brief echt und der Ritter tatsächlich von Adelaide als Verstärkung geschickt war. Einen möglicherweise mit ihr verwandten Edelmann zu beleidigen oder dessen Hilfe in der Not abzulehnen, falls das Anwesen tatsächlich bedroht sein sollte – dieses Wagnis war sie nicht bereit einzugehen.
Andererseits war auch nicht einzusehen, wieso ein möglicher Spitzel unbehelligt auf ihrem Anwesen herumspazieren sollte.
„Er und seine Mannen dürfen bleiben“, entschied sie. „Als Ehrengäste – nach außen hin, wohlgemerkt. Tragt dem Gesinde und der Burgwehr auf, Sir Bayard, seinem Knappen und seinen Männern bis auf Weiteres mit vollendeter Höflichkeit zu begegnen. Jedoch dürfen unsere Gäste die Burg nicht verlassen. Falls sie Einspruch erheben, soll man sie zu mir schicken.
Iain, Ihr sorgt mir dafür, dass die Hälfte unserer Soldaten im Dorf einquartiert wird, damit wir unsere wahre Mannschaftsstärke nicht verraten. Waffen- und Gefechtsausbildung vorerst nur auf abgelegenen Wiesen.
Schärft außerdem jedem Bediensteten und Soldaten ein, verdächtiges Verhalten unverzüglich zu melden.“
Sie trat an den großen Schrank und nahm einen leeren Pergamentbogen heraus. „Ich werde an meine Schwester schreiben und um eine Bestätigung ihres Briefes bitten. Außerdem füge ich einige Fragen bei, die nur sie beantworten kann. Dann wird sich ja herausstellen, ob Bayards Schreiben falsch ist, oder ob die Post abgefangen wird.“
„Ein geschickter Zug, Mylady“, lobte Dunstan.
Gillian breitete den Bogen auf dem Tisch aus, legte einen Gänsekiel dazu und holte das Tontöpfchen mit der Tinte. „Solange wir nicht mit Sicherheit wissen, dass der Inhalt des Briefes der Wahrheit entspricht, werden wir diesen Sir Bayard de Boisbaston und seine Männer mit Argusaugen beobachten.“
„Sehr wohl, Mylady“, sagte Dunstan.
„Zu Befehl!“, schnarrte der Burghauptmann.
„Und wie heißt Ihr?“, fragte Peg, die Schankmagd, später am selben Tag den Händler, der seine Wagenladung Bier- und Weinfässer vor der Schänke „Zum Hirschen“ abgestellt hatte. Der Kaufmann schien nicht nur recht vermögend, zumindest gemessen an seiner Kleidung, sondern war schlank, jung und gut aussehend obendrein – alles Eigenschaften, bei denen ein weibliches Wesen einem Techtelmechtel nicht abgeneigt war. Zwar ließ der junge Mann sich anscheinend gerade einen Bart wachsen, und an sich hatte Peg für Bärte nicht viel übrig, doch in diesem Falle war sie bereit, eine Ausnahme zu machen – vorausgesetzt, der Preis stimmte.
Des Weiteren saßen in der Schänke noch etliche Bauern und Dörfler, die sich nach einem arbeitsreichen Tag, den sie bei der Feldarbeit oder beim Versorgen des Viehs verbracht hatten, einen kühlen Trunk gönnten. Am liebsten palaverte man über das Wetter, über die voraussichtliche Getreideernte und die Ausbeute an sonstigen Feldfrüchten sowie mitunter auch über den König und seine Gesetze. Die meisten hatten Stammplätze, wie etwa Geoffrey, der Müller, der neben den Fässern saß, oder sein Erzfeind Felton, der Bäcker, der sich auf einer Bank auf der anderen Seite der niedrigen Schankstube lümmelte. Old Davy und seine Kumpanen hockten hingegen beim Kamin.
„Charles de Fenelon“, erwiderte der Weinhändler mit freundlichem Lächeln. „Aus London.“
„So?“ Peg beugte sich vor und gewährte ihm einen tiefen Einblick in ihren Ausschnitt. „Kommt Ihr gerade von dort, oder seid Ihr auf dem Wege dorthin?“
„Ich bin auf der Heimreise“, antwortete er. „Von Bristol. Aber zuerst will ich rüber zur Burg, dort meinen Wein an den Mann bringen. Wie kommt man denn am besten an den Burgvogt heran?“
Einen Krug Ale balancierend, wiegte die Schankmagd sich in den Hüften und kaute auf einer Haarsträhne herum. „Dunstan de Corley? Der schneit alle naselang herein. Ich könnte Euch ihm vorstellen, wenn Ihr möchtet.“
„Soll dein Schaden nicht sein“, näselte Charles, wobei er sich mit der flachen Hand auf die am
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