Hill, Susan
auf. Sie hatten sich über Simons Urlaub, Cats Familie und den örtlichen Klatsch unterhalten. Was jetzt folgte, würde schwieriger werden.
»Da ist noch was, Si.«
Er blickte auf, hatte ihren Tonfall bemerkt, bekam einen wachsamen Gesichtsausdruck. Wie merkwürdig, dachte Cat, dass er und Ivo die männlichen Drillinge und doch so unterschiedlich sind, als wären sie nicht einmal Brüder. Simon war seit Generationen der Einzige mit blondem Haar, obwohl er Serrailler-Augen hatte, dunkel wie Schlehen. Sie selbst war erkennbar Ivos Schwester, wenn auch sie alle ihn jetzt nicht mehr oft sahen. Ivo arbeitete seit sechs Jahren als fliegender Arzt im australischen Outback und fühlte sich dort pudelwohl. Cat bezweifelte, dass er je wieder nach Hause kommen würde.
»Dad hat nächsten Sonntag Geburtstag.«
Simon sah auf die ziehenden Wolken über der Kirche. Er schwieg.
»Mum lädt uns zum Mittagessen ein. Du kommst doch, oder?«
»Ja.« Seine Stimme verriet nichts.
»Ihm wird das viel bedeuten.«
»Das bezweifle ich.«
»Sei nicht kindisch. Hör auf damit. Du weißt, dass du in der Menge untertauchen kannst – wir werden weiß Gott genügend sein.«
Sie ging, um ihren Kaffeebecher im Stahlbecken auszuspülen. Simons Küche, in der kaum jemals mehr als Kaffee und Toast zubereitet wurde, war schwierig einzubauen gewesen und hatte ein kleines Vermögen gekostet. Cat fragte sich oft, wozu.
»Ich muss nach Hause und Chris beim Ponydienst ablösen. Arbeitest du morgen wieder?«
Simons Gesicht entspannte sich. Sie waren wieder auf sicherem Terrain. Zwei Wochen im Ausland, völlig abgeschnitten von Zuhause und seiner Arbeit, waren mehr als genug für ihn, wie Cat wusste. Ihr Bruder lebte für seine Arbeit und sein Zeichnen – und darüber hinaus für sein Leben hier in dieser Wohnung. Sie akzeptierte alles an ihm und wünschte sich nur gelegentlich, dass es da mehr gäbe. Von einer Sache wusste sie, aber sie sprachen nur darüber, wenn er das Thema anschnitt. Was er selten tat.
Sie umarmte ihn erneut und ging dann rasch. »Bis nächsten Sonntag.«
»Ich werde da sein.«
Nachdem seine Schwester gegangen war, duschte Simon Serrailler, zog sich an und machte sich eine weitere Kanne Kaffee. Nachher würde er auspacken und die Arbeiten aus Italien begutachten, aber davor rief er im Kriminaldezernat Lafferton an. Er musste erst am nächsten Tag offiziell wieder zum Dienst erscheinen, doch er konnte nicht bis dahin warten, um sich auf den neusten Stand zu bringen, nachzuhören, welche Fälle, wenn überhaupt, in seiner Abwesenheit abgeschlossen worden waren, und, wichtiger noch, herauszufinden, was es Neues gab.
Zwei Wochen waren eine lange Zeit.
Das Tonband
Hast du eigentlich je gemerkt, wie sehr ich den Hund gehasst habe? Wir hatten nie ein Haustier. Und dann, als ich eines Nachmittags aus der Schule kam, war er da. Ich sehe dich immer noch in deinem Sessel sitzen, den braunen Lederhocker unter deinen Füßen, deine Brille und das Büchereibuch auf dem Tischchen neben dir. Im ersten Moment bemerkte ich ihn nicht. Ich ging zu dir, um dich wie immer zu küssen, und da sah ich ihn – den Hund. Ein sehr kleiner Hund, aber kein Welpe.
»Was ist das?«
»Mein Hund.«
»Warum hast du den?«
»Ich wollte schon immer einen haben.«
Die Augen des Hundes, schimmernd wie Perlen, funkelten unter langen seidigen Fellsträhnen hervor. Ich hasste ihn.
»Ist er nicht süß?«
Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich den Hund hasste, ihn hasste, weil er dein Schoßtier war und du ihn geliebt hast, aber ich hasste ihn auch um seiner selbst willen. Der Hund saß auf deinem Schoß. Der Hund leckte dein Gesicht mit seiner rosa Zunge ab. Der Hund fraß dir Leckerbissen aus der Hand. Der Hund schlief in deinem Bett. Der Hund hasste mich genauso wie ich ihn. Das wusste ich.
Aber seltsam genug, wenn es den Hund nicht gegeben hätte, dann hätte ich vielleicht nie entdeckt, was ich werden wollte, was mein Schicksal war.
Ich weiß, dass du dich an den Tag erinnerst. Ich lag auf dem Kaminvorleger und neckte den Hund, wedelte mit den Fingern unter seiner Nase, bis er zuschnappte, dann riss ich sie weg. Ich wurde sehr gut darin, genau den richtigen Moment abzupassen, und ich weiß, dass er mich nie gekriegt hätte, wenn ich auf dieselbe Weise weitergemacht, dieselbe Sache immer und immer wieder getan hätte. Aber ich habe einen Fehler gemacht. Später war ich wegen meiner eigenen Dummheit wütend auf mich. Ich lernte daraus, einen Plan
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