Hill, Susan
über die Straße und verschwand in einer Hecke. Ein Auto bog in die Straße ein, aber es war kein Taxi und fuhr einfach vorbei.
Um zehn vor eins griff Sandy zum Telefon. Sie hatte sich wieder angezogen, hatte das ungute Gefühl, dass sie vielleicht aus dem Haus musste, dass Debbie einen Unfall gehabt haben könnte und Sandy im Krankenhaus brauchen würde. Sie nahm den Hörer hoch, legte dann aber wieder auf, als sie draußen einen Motor zu hören meinte. Durch die Wohnzimmergardinen sah sie ein Auto in die Einfahrt gegenüber biegen und die Scheinwerfer ausschalten.
Halb zwei. Sie ging in Debbies Zimmer und suchte nach dem Notizbuch, in das sich Debbie Adressen und Telefonnummern notierte. Vielleicht hatte sie etwas über ein Treffen aufgeschrieben. Dann sah sie Debbies Handtasche über einer Stuhllehne hängen. Sandy starrte sie an. Wo auch immer Debbie hingegangen war, sie hätte ihre große, braune Tasche mitgenommen. Zögernd öffnete Sandy den Reißverschluss und sah hinein. Geldbeutel, Lippenstift, Kamm, Papiertaschentücher, Notizbuch, ein Taschenbuch über Meditation, ein paar Büroklammern … das übliche Durcheinander. Die Haustürschlüssel fehlten ebenso wie der Inhalator, den Dr. Deerborn ihr nach dem Asthmaanfall mit der Anweisung verschrieben hatte, ihn stets bei sich zu tragen.
Sandy stand vor einem Rätsel. Debbie wäre auf keinen Fall ohne ihre Tasche ausgegangen. Sandy griff wieder zum Telefon. Es war zwanzig vor zwei.
Der Streifenwagen war innerhalb von fünf Minuten da, mit einem freundlichen älteren Polizisten und einer jungen Polizistin, die von Sandys Bericht irritiert zu sein schien. Beide lehnten den angebotenen Tee ab und setzten sich mit ihr in die Küche, stellten die üblichen Fragen.
»Ich möchte mir ihr Zimmer anschauen, wenn Sie es mir bitte zeigen würden«, sagte die junge Polizistin, die sich als Police Constable Louise Tiller vorgestellt hatte.
Sandy führte sie in Debbies Schlafzimmer. »Hier werden Sie nichts finden, fürchte ich«, sagte sie.
»Diese Beurteilung sollten Sie mir überlassen.«
»Aber ihre Handtasche ist hier, und die hätte sie nie dagelassen, wenn sie ausgegangen wäre.«
»Sie könnte eine andere genommen haben. Die Leute haben mehr als eine.«
»Nein«, sagte Sandy, »hat sie nicht.«
»Wie lange sind Sie beide schon zusammen?«
»Was, als Mitbewohnerinnen? Etwa ein Jahr.«
»Sie sind also nur Mitbewohnerinnen?«
Sandy wurde rot, hatte bereits große Abneigung gegen Police Constable Tiller gefasst.
»Ja, sind wir.«
»Na gut. Ist das die Handtasche?«
»Ja.«
Die Polizistin nahm sie, ging zum Bett und schüttete sie aus, sodass der Inhalt in einem Haufen vor ihr lag. Sie wühlte darin herum, griff nach dem Notizbuch und blätterte es durch.
»Sie haben wahrscheinlich schon bei all den Leuten angerufen und gefragt, ob sie dort ist?«
»Also … nein … Sie wäre nicht ohne ihre Handtasche ausgegangen.«
PC Tiller seufzte und verließ abrupt das Zimmer, ließ den Tascheninhalt verstreut auf Debbies Bett liegen. Sandy folgte ihr.
»Da ist nichts, Dave.«
Er stand auf. »Hören Sie, Miss Marsh, ich glaube, Ihre Freundin ist ausgegangen, es wurde spät, und sie übernachtet bei jemandem.«
»Das würde sie nie tun. Nicht, ohne es mir zu sagen. Oder anzurufen. Und sie wäre nicht ohne ihre Handtasche gegangen.«
»Ach, hat sie die dagelassen?«
PC Dave Grimes runzelte die Stirn. Seine Frau schien mit der jeweils bevorzugten Handtasche regelrecht verwachsen zu sein – sie trug ihr Leben darin herum.
»Dann pennt sie halt bei irgendnem Kerl, den sie im Pub aufgegabelt hat«, sagte die Polizistin mit breitem Akzent.
»Nein.«
»Was macht Sie da so sicher?«
»Debbie ist nicht so.«
»Wie was?«
»Debbie geht nicht in Pubs … Hören Sie, ich kenne sie, ich wohne mit ihr zusammen, wir sind seit der Grundschule befreundet. Das ist nicht ihre Art. Sie … sie war bis vor kurzem ziemlich depressiv, aber jetzt geht es ihr besser und …«
»Schon gut, schon gut, ich weiß, was Sie uns sagen wollen.« Der Polizist sprach freundlich mit ihr. »Es passt nicht zu ihr. Manche gehen gern aus und treiben sich die ganze Nacht herum, und niemand käme auf die Idee, sie als vermisst zu melden, außer sie kommen wochenlang nicht nach Hause. Andere machen so was nie, sie rufen an, hinterlassen eine Nachricht oder gehen überhaupt nicht aus.«
»Wenn es eine psychiatrische Vorgeschichte gibt, wirft das allerdings ein ganz anderes Licht
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