Himbeersommer (German Edition)
du“, jammert sie, „nicht beißen, sonst beiße ich zurück, du kleiner Satansbraten!“
Ich sehe die beiden an und stelle mir plötzlich vor, ein saugendes Baby an meiner Brust zu haben.
„Vielleicht ist es das“, überlege ich laut, während ich meine Beine aufs Sofa ziehe und das Kuhfell-Kissen im Arm zerknautsche.
„Zurückbeißen?“, grinst Jacky, „willst du dich von einem anderen schwängern lassen, um es Tobias heimzuzahlen?“
Wir sehen uns an. Ich nicke.
„Nein, das kann ich nicht. Ich bin kein rachsüchtiger Mensch.“ Ich mache einen Rückzieher.
„Stimmt. Du hast dir schon in der Schule die Pausenbrote klauen lassen. Und statt dich zu wehren, hast du am nächsten Tag Nutella-Brote für alle mitgebracht.“
„Woher weißt du …?“
„Deine Mutter.“
„Na wunderbar. Ich war also schon immer naiv und unsagbar bescheuert?“
„Sagen wir – zu gut für die Männerwelt, deshalb liebt dich Tobias ja so.“
„Tut er das? Seltsame Art, mir das zu zeigen.“ Ich werfe das Kissen in die Ecke, als wäre es ein Schmetterball.
„Finde es heraus. Einen Besseren kriegst du eh nicht mehr mit 39 und beginnender Cellulite.“
Ich schnappe mir das Kissen erneut und werfe es Richtung Jackys Kopf. Sie duckt sich, das Kissen schießt eine Vase um, die zerbricht.
„Verdammt.“ Ich stehe auf, um die Scherben aufzusammeln.
„Soll ich wirklich?“ Ich sehe eine scharfkantige Scherbe an.
„Klar, Tobias ist der tollste Mann, den ich kenne, wenn du ihn nicht mehr willst, nehm ich ihn“, sie grinst – und ich schneide mich.
***
Tobias kommt müde und wortkarg von der Arbeit nach Hause.
„Abendbrot fertig?“, muffelt er vor sich hin, setzt sich vor den Fernseher, Füße auf den Couchtisch, die Socken riechen.
Und ich stelle mir meinen muskulösen Skilehrer vom letzten Skiurlaub vor, der ganz sicher auch müffelnde Socken hat und mit dem man sich nicht mal gut unterhalten konnte.
Das Gute an Tobias ist, er braucht eine halbe Stunde für sich, wenn er nach Hause kommt, gibt dann nur grammatikalisch mangelhafte Zweiwortsätze von sich, schaut sich die Börsennews in n-tv an und ist nach dieser halben Stunde dann wieder ganz da. Es gibt Männer, die aus einer halben Stunde den ganzen Abend machen.
Leider scheint es so, als habe Tobias das ausgerechnet heute vor. Und ich leide - sehr.
Ein Kind als Beziehungsretter ist so ziemlich das Dümmste, was man sich vorstellen kann, erinnere ich mich an Mamas Gejammer. Aber trotzdem will ich ein Kind.
„Schatz, machst du bitte mal den Fernseher aus?“ Ich fange vorsichtig an.
Er macht es sofort, sieht mich angespannt an. Hat Angst, ich mache jetzt Schluss. Und ein warmes Gefühl durchströmt meinen Magen.
„Wir sind füreinander geboren, vergiss das nie.“ Das hat er mir ganz am Anfang mal geschrieben. Erst spät habe ich herausgefunden, dass er den Satz aus dem Internet hat. „Liebesbriefe für Jedermann.“
„Ich habe was für uns gekocht“, sage ich und fliehe in die Küche, um die Schüsseln zu holen. „Also kochen ist etwas übertrieben. Sahneheringe mit Kartoffeln. Dein Lieblingsessen.“
Tobias lächelt ein wenig. „Heißt das, du verstehst mich ein kleines bisschen?“
„Also, ehrlich gesagt – nein. Ja. Ich muss. Weil selbst du nicht perfekt bist. Auch wenn ich es mir sieben Jahre eingeredet habe. In so was bin ich gut, weißt du ja.“
Er sieht mich ernst an. „Nora, ich wollte dir wirklich nicht wehtun. Ich wusste nur keinen Ausweg.“
„Ja klar. Aber ich versteh es trotzdem nicht. Wir haben uns doch immer alles gesagt. Also ich dir zumindest.“ Jede Gehirnwindung habe ich diesem Mann offenbart. Und das sind bei einer Frau Ende 30 mehrere Millionen.
Bis auf den Urlaub mit Olaf natürlich. Und heimliche Sexphantasien, die man nicht einmal seiner besten Freundin erzählt.
„Ich dir auch. Aber du wolltest dieses Kind so unbedingt. Ich hatte irgendwann das Gefühl, dass du es mehr willst - als mich“, sagt er mit belegter Stimme.
Ich sehe ihn traurig an. Was ist aus uns geworden.
„Ich will dich. Und ein Kind. Ich stelle mir ein Leben ohne … einfach - sehr einsam vor.“
„Aber wir haben doch uns , wir haben uns doch all die Jahre vollauf genügt.“
„Willst du kein Kind mehr?“, frage ich ihn leise.
„Doch“, erwidert er schnell. „Aber ich weiß einfach nicht … wie … und …“
„Ich aber“, lächle ich ihn an. „Du hast dir doch immer ein kleines Mädchen gewünscht, das aussieht wie ich, hinten auf dem
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