Himbeersommer (German Edition)
gesagt.
Aber nicht mit Tobias. Er überwacht unsere Finanzen wie ein Adler die fliehende Beute und setzt den Rotstift an.
Ich denke täglich an Daniel. Und fühle mich immer schäbiger, je mehr mein Bauch wächst. Denn es ist sein Kind, und ich komme mir vor, als habe ich es ihm geklaut. Dass das Unsinn ist, ist mir auch klar. Selbst schuld, wenn er mit einer biologischen Atombombe schläft, ohne sich selbst um die Verhütung zu kümmern.
Dass Männer in dem Punkt so naiv sind, wundert mich immer wieder. Es gibt zwei Sorten von Männern, was das anbelangt. Die einen rennen schreiend davon, wenn sie eine Frau über 30 kennenlernen, die anderen lassen sich erzählen, die Frau habe die Temperaturmethode im Griff - oder ein anderes schönes Märchen von stillenden Müttern: Während man stillt, kann man nicht schwanger werden.
Tobias` Mutter Hilde hat den contest „Wer wird worlds best Oma“ ausgerufen. Nur macht meine Mutter nicht mit. Meine Mutter schenkt mir ein sexy Schwangerschaftskleid und einen schwarzen Still-BH mit Spitze. „Kindchen, denk daran, das werden die schwierigsten Jahre in eurer Beziehung.“
Noch schwieriger, denke ich nur und werde unruhig.
Was, wenn mich Tobias doch noch sitzen lässt? Alleinerziehend in Berlin ist zwar nicht gerade der Seltenheitsfall, aber auch wirklich nicht erstrebenswert. Noch dazu mitten in der Schwangerschaft. Wem soll ich denn dann bei der Geburt die Hand zerquetschen?
Ich bin mir zwar sicher, dass sich Daniel meiner erbarmen würde, aber ich habe ja beschlossen, dass er nicht der ist, den ich will. Und ich habe mir das inzwischen so gut eingeredet, dass ich Daniel auch nicht als Notpapa missbrauchen würde.
„Wie ist eigentlich Sex in der Schwangerschaft“, will Ruby von mir wissen, als sie von Magda eine Tüte gebrauchter Strampler bringt.
„Also, um ehrlich zu sein … kocht mir gerade die Milch über. Sag deiner Mama ganz lieben Dank für die Strampler, tschühüss.“
Ich schließe die Tür. Nein, Tobias und ich hatten keinen Sex seit Daniel. Aber das muss ich Ruby ja nicht unbedingt auf die Nase binden.
Eine Umfrage bei meinen neuen Mütterfreundinnen hat sowieso Spannendes ergeben. Manche Männer stehen sehr auf ihre schwangeren, vollbusigen Frauen, andere kriegen die große Panik und verweigern sich im Bett.
„Mein Kind soll jetzt schon Bekanntschaft mit meinem Schwanz machen?!“, hat der Mann einer Schwangeren aus der Nachbarschaft gesagt und seine Frau Heidi in eine pränatale Depression getrieben.
„Ich bin hässlich, ich bin fett, ich bin unsexy, ein Nilpferd. Klar, dass er nicht mehr mit mir schlafen will“, meinte Heidi. Und weder Magda noch ich konnten sie beruhigen. Alle anderen Erklärungen prallen an hormonverdrehten Gedanken ab. Und mit jedem Gramm mehr auf der Waage wird die persönliche Krise schlimmer.
Tobias gehört genau zu letzter Fraktion. „Ich tu dem Baby doch weh, wenn ich in dich eindringe.“
Ich wusste, dass Männer gern an übersteigertem Selbstbewusstsein leiden, aber dass sie denken, ihr Schwanz wäre so lang wie ein Staubsaugerrohr und dass sie in Biologie offensichtlich nicht aufgepasst haben, macht mich fertig. In unserem Fall ist es mir allerdings recht.
Ich will noch nicht mit Tobias schlafen. Seit ich Daniel gespürt habe. Und ich bin sehr froh um Tobias` Fantasien und heize sie an.
In den Arbeitspausen, wenn ich mich nicht gerade mit Ingo Baltimore und der Suche nach einem Sponsor für mein Kunstprojekt herumschlagen muss, lasse ich mich auf überfüllte Kita-Wartelisten setzen.
Baltimore will jetzt gerichtlich gegen mich vorgehen. Eine Tatsache, die mich vor meiner Schwangerschaft an den Rand des Nervenzusammenbruchs gebracht hätte, bringt mich nun nicht extrem aus der Ruhe.
„Soll er doch“, habe ich zu Tobias gesagt. „Die anderen finden den größeren Spielplatz toll.“
Plötzlich gibt es Wichtigeres in meinem Leben als den Job. Nämlich die Frage, mit welchem Tee stoppe ich mein saures Aufstoßen, oder wie ergattere ich einen der so begehrten Kita-Plätze.
Kita-Plätze gibt es in Berlin wie Sand am Meer. Aber Plätze in von Übermüttern empfohlenen Kitas sind rar gesät. Und in Gegenden wie der unseren, wo es vor Kindern und jungen Familien nur so wimmelt, sind sie gar heiß umkämpft. Magda rät mir, mich schon jetzt, in der Schwangerschaft, um einen Platz zu bemühen. Ich finde das wirklich absurd, mache aber, was sie sagt. Und stelle auch hier fest: Schwangersein ist eine Wissenschaft für sich.
Es ist
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