Himbeersommer (German Edition)
und wir stoßen gerade an Land. Daniel gibt ihr einen sanften Kuss auf das Näschen, macht das Boot mit einem Seil an einem Ast fest, nimmt mich lächelnd bei der Hand und führt mich ans Ufer. Dort tanzt er freudig mit mir umher, und ich lasse mich führen. Ein paar Fußgänger sehen herüber, lächeln sich an, und ein älteres, weißhaariges Paar, gibt sich nach bestimmt 20 Jahren wieder mal einen innigen Kuss.
Ich mache Nägel mit Köpfen. Ich lasse Lisa bei Daniel, fahre in unser Häuschen, um meine restlichen Sachen zu holen. Tobias ist nicht da, aber ich habe ihm eine SMS geschickt, er wird vermutlich bald kommen.
Erschüttert sehe ich mich in unserem Traum vom Haus um. Wie schnell sich Träume ändern können. Mache ich auch wirklich das Richtige?! Oder macht Daniel etwas mit mir? Haben mir seine jugendlich-leichten Komplimente mal wieder den allzu romantischen Kopf verdreht?
Zitternd packe ich Kiste um Kiste, noch chaotischer als sonst. T-Shirts, Nagellack, Lisas Kuschelkissen, noch ein paar Strampler, meine rot-weiß gepunkteten Ballerinas. Tobias müsste jede Minute da sein, und ich habe riesige Angst, ihn zu sehen. Aber ich weiß, ich muss mich ihm stellen. Da höre ich seinen Schlüssel im Schloss.
Ich stehe auf, sehe mich im Spiegel an, sehe eine innerlich strahlende Frau und glückliche Mutter und bin beruhigt. Ich atme hörbar ein und aus und gehe, mit einem offenen Umzugskarton in der Hand, zu ihm, die Treppe hinunter.
Tobias sieht mich traurig an, und meine rot-weiß gepunkteten Ballerinas, die ich getragen habe, als ich ihm gesagt hatte, dass ich schwanger bin, rutschen aus dem Karton.
„Du willst also wirklich zu ihm ziehen?“ Tobias starrt auf die Schuhe, als habe er es insgeheim schon lange gewusst.
„Ja … es ist … er liebt Lisa, weißt du. Und … du kannst es ja leider nicht … so gut.“
Tobias nickt, geht wie ein geprügelter Hund mit hängenden Schultern zum Sofa und lässt sich langsam darauf nieder.
„Es tut mir leid, ich wollte das nicht … so sagen, Tobias, … wirklich.“
„Schon gut. Ich weiß, was du durchmachst, Schnecki.“ Er sieht mich traurig an.
Und plötzlich fühlt sich mein Magen an, als wäre er zugenäht.
Dann blickt er ernst auf. „Wir müssen das alles noch regeln, demnächst. Wegen des Kredites und so. Ich würde es lieber erst mal nicht verkaufen, das Haus. Wegen der Wertsteigerung.“
„Ich auch nicht.“ Meine Stimme wird brüchig.
„Kann ich denn dann, der Einfachheit halber, erstmal hier wohnen bleiben? Oder wollt ihr hier einziehen, als Familie?“ Tobias versucht, seine Stimme ruhig klingen zu lassen, aber sie zittert.
„Was, nein, natürlich kannst du hier bleiben. Ich fände das sogar sehr schön.“
Er nickt, nimmt ein Plüsch-Schaf von Lisa in die Hand, klammert sich daran fest. „Weißt du, ich liebe sie schon, natürlich, sie ist ja so süß, aber eben nicht … genug vielleicht.“
„Ich weiß, Schatz, ich meine, ich weiß.“ Wir sehen uns an und sind beide unendlich traurig. Dann steht er schnell auf, legt das Schaf ordentlich aufs Sofa, nimmt seine Joggingschuhe in die Hand und geht.
Ich fröstle, packe rasch die restlichen Sachen zusammen, telefoniere mit ausgebuchten Umzugsfirmen und finde endlich eine, die schon morgen kann.
„Is ja janz schön spontan. Sind Se uff der Flucht?“, sagt die Dame am anderen Ende der Leitung.
„Vielleicht.“
Sie kichert. „Vor `nem Typen oder vor sich selbst?“
„Gute Frage“, antworte ich und werde unsicher. „Aber was geht Sie das überhaupt an?!“
„Nischte, sorry. Is ihr Leben. Was glauben Sie, was wir schon alles erlebt ham. Einzug, Auszug, Wegzug.“ Sie lacht.
Morgen ziehe ich mit Lisa zu Daniel, und ich habe Angst, dass das vielleicht nicht die glorreichste Idee meines Lebens sein wird.
Die Möbelpacker, eine Horde sympathischer Ex-Knastis, packen fleißig mit an.
„Ach det ham wer oft, so’n Umzug aus`m Reihenhäuschen. Welche Ehe hält denn heutzutage noch länger als vier Jahre? Nach `n paar Jahren hat man seine Olle doch satt. Und den Ollen würde man am liebsten uff`n Mond schießen.“ Er lacht.
Ich sehe den Kerl an, der aussieht, als habe er mindestens seine Schwiegermutter ermordet und frage mich, ob er recht hat.
Nein, ich habe Tobias nicht satt. Ich kann ihn immer noch gut riechen, mag sogar den Geruch seiner Füße, nachdem er sie aus den dampfenden Joggingschuhen geschält hat, verzeihe ihm, wenn er seine Espressotasse in die Spüle stellt, statt in die
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