Himbeersommer (German Edition)
bin sofort auf 180.
„Nennt mich nie wieder junge Frau und ladet einfach alles aus, lasst es hier stehen und haut ab!“, schreie ich ihn an, und Lisa schreit mit. Ich fange plötzlich an zu schwitzen, als wäre ich mitten in den Wechseljahren. Und statt bunter Schmetterlinge habe ich eine Stinkwut im Bauch.
Der Kerl guckt mich mitleidig an. „Hey, hey, hey, janz schöne Scheiße, wa. Wir könnten auch alles wieder in det Reihenhäuschen kutschiern. Sind wer jewohnt.“
Für den Bruchteil einer Sekunde bin ich versucht zu nicken. Doch genau in dem Moment biegt Daniels VW-Bus um die Ecke. Daniel springt raus, rennt auf mich zu, fällt vor mir auf die Knie und entschuldigt sich tausendmal mit ziemlich glaubwürdigen Erklärungen. Und er schafft es, mit seiner charmanten, lockeren Art, nicht nur meinen flammenden Zorn zu besänftigen, sondern auch die Ex-Knastis dazu zu bringen, ihn zu mögen.
Und nachdem alle Kisten ausgepackt sind, sitzen wir in der untergehenden, glutroten Abendsonne, essen französischen Käse und trinken zusammen einen köstlichen Bordeaux.
***
Es wird schwer, meine ganzen Klamotten, Schuhe, Kosmetika und vor allem Lisas ganze Babyausstattung, die ich mit Tobias sorgsam und liebevoll zusammengetragen hatte, in Daniels kleine Wohnung zu quetschen. Es scheint, als passten wir einfach nicht in sein Leben. Und ich frage mich ernstlich, ob mir dies jetzt irgendwie zu denken geben muss.
Kisten werden in den Keller verbannt, da es sonst unerträglich eng werden würde. Und am Abend bin ich so groggy, dass ich mich gerne von Daniel verführen lasse.
Wir haben zum ersten Mal seit unserer „Affäre“ vor Lisas Geburt wieder Sex. Aber da ich inzwischen eine chronisch übermüdete Mutter bin, die gerade einen heftigen Umzug hinter sich hat, bin ich platt wie eine Flunder und lasse mich einfach verwöhnen. Danach habe ich sofort ein schlechtes Gefühl. Ich frage mich, ob er meine Dammschnitt-Naht gesehen hat, oder ob er meinen Bauch zu weich findet. Aber das alles scheint ihm ganz egal zu sein.
Daniel trägt mich und Lisa die nächste Zeit auf Händen, und wir haben manchmal auch wieder etwas leidenschaftlicheren Sex.
Trotz allem ist es nie wieder wie zuvor. Denn da Lisa immer noch ein eher unruhiges, aktives Kind ist, und noch weit davon entfernt durchzuschlafen (ich liebe diese Frage von Müttern: Und, schläft deine auch schon durch, also meine schon?), bleiben unsere Nächte deutlich weniger erotisch und lasziv, als sie es vor meiner Schwangerschaft waren. Und das erschüttert mich dann doch.
Ich versuche immer wieder, Magda zu erreichen, um zu fragen, wie es ihr nach der OP geht, aber sie will nicht mit mir reden.
„Und wenn ich einfach vorbeikomme?“
„Keine gute Idee“, findet Ines. „Sie will absolut keinen sehen. Das hat nichts mit dir zu tun. Ruf einfach nächste Woche wieder an, vielleicht geht es ihr dann ja etwas besser.“
Der Tumor war zum Glück gutartig, aber die Entfernung der Brust scheint Magda doch sehr zuzusetzen. Magda tut mir so unendlich leid.
Daniel, dem der plötzliche und gravierende Schlafentzug ziemlich zusetzt, vergisst leider zusehends, wo sich meine erogenen Zogen befinden und wie romantisch er einst war.
Statt roter Rosen liegen nun vollgekackte, müffelnde Windeltüten bei uns im Flur, statt köstliche Quiches für mich zu backen, rührt er müde Instant-Baby-Brei an.
Sicher, ich bin eine kluge, abgeklärte Frau. Aber dass der Verfall einer jungen, leidenschaftlichen Beziehung so schnell voranschreiten kann, wenn ein jugendlicher Liebhaber „plötzlich Papa“ wird, hätte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorgestellt.
Das Leben ist einfach das Leben. Und auf der anderen Seite ist das Gras eben auch nicht viel grüner. Und Sex wird sowieso oft überschätzt.
Ich genieße die Zeit mit Lisa, wenn sie nicht schreit, und freue mich, wenn sie lacht. Ich habe ein Kind, und es ist gesund und ja, danke, Universum, du hast es nur gut gemeint. Lisa ist ziemlich munter.
Ich rufe Magda alle paar Tage an, aber wieder will sie nicht mit mir reden.
„Ich komm jetzt doch einfach vorbei“, sage ich zu Ines. „Du brauchst Magda ja nicht zu sagen, dass du das gewusst hast.“
„Nein, wirklich. Das würde sie dir übel nehmen. Aber ganz liebe Grüße soll ich dir sagen. Du sollst dir keine Sorgen machen. Und bei dir alles gut? Noch happy Honeymoon?“
„Ähm, ja, sofern das mit Kleinkind überhaupt möglich ist“, versuche ich meine Stimme gelassen
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