Himbeersommer (German Edition)
Spülmaschine oder, wenn er nach dem Duschen das nasse Handtuch einfach auf den Boden fallen lässt, als wäre er in einem Hotel und das Zimmermädchen, also sprich ich, räumt es dann ja eh irgendwann weg.
Ja, mich hat das alles oft aufgeregt, aber nein, das war wirklich kein Grund, alles einfach hinzuwerfen. Das, was unsere schöne Beziehung getötet hat, das war meine Panik, 40 zu werden und irgendetwas im Leben zu verpassen. Und ich hatte ja recht. Zumindest für mich persönlich. Ein Leben ohne Kind kann und will ich mir einfach nicht mehr vorstellen. Sicher hätte ich dann weniger Augenringe und bessere Nerven, würde weniger hysterisch rumkeifen und wäre ausgeglichener. Aber Lisa würde mir einfach unendlich fehlen.
„Soll die olle Yucca-Palme och mit?“, ruft ein Ex-Knacki gerade. Ich stehe vor dem Laster und überlege.
Plötzlich tritt Magda zu mir, mit einer Schale roter Tomaten in der Hand und einem unendlich traurigen Gesicht.
„Du ziehst also wirklich weg von uns? Weg aus deiner Himbeersiedlung?“
„Ich … ja, ich fürchte ja.“
„Hab ich mir fast schon gedacht.“ Sie lächelt mich an, aber ihr Lächeln ist nicht wie sonst.
„Alles klar bei dir?“ Ich sehe sie forschend an.
Und sie schüttelt den Kopf. „Ich hab einen Tumor, in der rechten Brust“, flüstert sie leise. „Und sie wissen noch nicht, ob gut- oder bösartig. Sie wollen operieren, und mir die Brust abnehmen!“
Schockiert und fassungslos starre ich sie an.
„Was?!“, hauche ich, „das ist ja schrecklich!“
Magda nickt und überspielt mit einem Scherz. „Wie sieht denn das aus, nur eine Brust. Und das bei meinem Vorbau, hab ich gesagt!“
„Komm, lass uns einen Kaffee trinken und reden.“ Ich hake sie unter, doch sie macht sich los.
„Schon gut, die Kerle warten auf dich. Wir können uns ja nach der OP mal treffen, in der Stadt. Die OP ist nämlich schon übermorgen.“
„Übermorgen?!“
„Also wat is nu? Yucca-Palme sieht scheiße aus, die kommt auf’n Müll“, entscheidet der Ex-Knasti. Der Möbelwagen ist voll.
Magda nickt mir, die ich immer noch unter Schock stehe, aufmunternd zu, und ich biete ihr an, bei der OP dabei zu sein, wie sie bei mir, bei Lisas Geburt.
„Das ist total lieb, Nora, aber das will ich nicht. Ines ist da und hält mein Händchen, und sie ist ja zum Glück kein Mann, für den Brüste das Allerwichtigste sind an einer Frau. Also viel Glück, Nora, mit Daniel, ich wünsche dir wirklich, dass er der Richtige ist, für dich und Lisa.“
Sie drückt mir noch die Tomaten in die Hand, umarmt mich und geht rüber auf ihre Veranda.
Wie in Trance starre ich den voll bepackten Wagen an und wundere mich, wie viel unwichtiges Zeug ich in meinem ganzen Leben gesammelt habe. Dann quetsche ich mich zu den Jungs in die Fahrerkabine, denn ein eigenes Auto habe ich ja jetzt nicht mehr - und denke die ganze Zeit an die arme Magda.
Als wir mit dem Möbelwagen vor dem Bistro von Daniel ankommen, habe ich sofort ein ungutes Gefühl. Denn Florence, seine Angestellte, eine Anfang 20-jährige, hübsche, braungelockte Französin, kommt mir mit der schreienden Lisa auf dem Arm entgegen. Ich bin sofort bei meiner Süßen, nehme sie in den Arm und wiege sie sanft.
„Pscht, Mama ist ja wieder da. Wo ist denn Daniel?“
Florence zuckt genervt die Schultern und plappert los, in ihrem französischen Akzent. „Zum Großmarkt, und er hat vergessen sein Handy. Isch hatte noch nischt mal Flasche für Bébé.“
„Was?!“ Ich sehe sie wütend an.
„Isch habe ihr so Wasser gegeben. Aus einer Boule.“ Florence zuckt gleichgültig die Schultern, sie hat ganz offensichtlich kein gesteigertes Interesse an Kleinkindern, was ich in ihrem Alter auch nicht hatte und sehr gut verstehen kann.
„Isch muss in Bistro.“
„Verstehe. Aber, ach Florence, können Sie mir bitte den Schlüssel für die Wohnung oben geben?“
Florence schüttelt bedauernd den Kopf. „Haben wir nischt im Bistro.“
„Na prima, und wann wollte Daniel wieder hier sein?“ Ich spüre die Blicke der Ex-Knastis in meinem Rücken.
„Eigentlich schon vor einer halben Stunde. Aber so ist er halt.“
Florence lächelt den Jungs zu, die ihr nachschauen und geht ins Bistro.
Ich stehe da und der Satz „So ist er halt“ hallt in meinem Kopf wider. Was habe ich getan? Ich kenne diesen Menschen überhaupt nicht.
„Wat`n nu, wohin mit dem Pröddel, junge Frau?“
Junge Frau werden normalerweise ältere, runzlige Damen genannt, um ihnen etwas zu schmeicheln. Ich
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