Himbeersommer (German Edition)
durchdiskutieren. Ich hab das Gefühl, dann werden sie größer und größer, und irgendwann redet man sich ein, man müsse jetzt auch mal dringend zu einem Therapeuten.“
„Oh. Vielleicht hast du ja recht.“
„Oh, nein, bitte nicht falsch verstehen. Was die Probleme meiner Freundinnen angeht, bin ich ganz Ohr und beleuchte gerne alles von tausend Seiten. Ich will alles wissen, jedes Detail! Wie ist es mit so einem jungen Kerl?“ Sie grinst. „Und vor allem, was macht Lisa? Läuft sie schon?“
Ich schüttle den Kopf und bin so froh, dass ich die alte Magda zurückhabe, so wie sie ist.
„Lisa krabbelt schon länger herum, zieht sich am Sofa hoch und steht stolz lachend, wie eine kleine Prinzessin, da.“
„Aber wehe, du nennst sie Prinzessin. Ich kenne eine Mutter vom Spielplatz, die ihre Kleine immer ‚Prinzessin’ nennt und sich dann wundert, dass sie sich als solche benimmt.“
„Auweia.“ Wir lachen.
„Dass man um die Rosa-Phase bei Mädchen nicht drumrum kommt, auch wenn, oder gerade, wenn man sie selbst extrem scheußlich findet, ist klar.“ Magda schüttelt sich. „Ines und ich hassen Rosa, aber Ruby und Wanda fanden Rosa sieben Jahre lang total chic.“
Wir nehmen uns bei der Verabschiedung in den Arm, und ich freue mich, so unterschiedliche Freundinnen zu haben.
Ich fahre mit der S-Bahn nach Hause, betrachte die vorbeihuschenden gelben Rapsfelder und denke über Magda und über meine Süße nach. Lisa ist jetzt fast schon ein Jahr alt. Sie kann aber tatsächlich immer noch nicht laufen. Fast alle anderen in ihrem Alter hingegen schon. Ich mache mir plötzlich riesige Sorgen. Diese diskutiere ich sofort mit Daniel durch, der mich aber nicht wirklich ernst nimmt, und am nächsten Tag bei unserem Mittwochs-Lunch mit Jacky.
„Total normal und total gaga. Übermutter-Syndrom. Natürlich wird Lisa irgendwann laufen können. Sie hat ja schließlich keine Klumpfüße.“
Bei Jacky und Werner kriselt es ziemlich. Aber Jacky ist nicht bereit, wieder in ihre kleine Wohnung zu ziehen, die sie sicherheitshalber immer noch nicht gekündigt hat. „Entweder wir stehen das durch oder es ist aus die Maus. So einfach ist das.“
„Ich langweile mich zu Tode“, sage ich und starre aus dem Fenster.
Jacky sieht mich sauer an und steht auf. „Schön, mich langweilt es auch zu hören, dass Lisa schon wieder einen wunden Po hat und immer noch nicht laufen kann.“
Ich sehe sie an und merke, was ich da gesagt habe. „Oh Gott, nein, das habe ich doch nicht gemeint. Natürlich interessiert es mich, wieso es mit Werner so schwierig ist.“
„Es ist nicht ‚so schwierig’, es ist alles super. Ober, bitte zahlen!“ Jacky kramt ihren Geldbeutel hektisch aus der Jackentasche und macht ein sprödes Gesicht.
„Jacky, ich war gerade einfach nur abwesend. Ich habe heut Nacht maximal zwei Stunden geschlafen und bin total Banane!“
„Erzähl mir mehr von deinem wilden Sexleben mit deinem jugendlichen Lover.“ Jacky wedelt grimmig mit einem Zehn-Euro-Schein herum, aber der Ober reagiert einfach nicht.
„Von wegen wildes Sexleben. Wildes Zähnekriegen. Ich wusste gar nicht, dass in Kindermünder soo viele Zähne passen. Jacky, ich wollte doch nur sagen, dass ich wieder arbeiten muss. Ich halte das zu Hause einfach nicht aus.“
Jacky kommt wieder etwas runter und lächelt mich an. „War doch klar. Power-Frauen an den Herd, das geht einfach nicht. Da hilft auch kein Betreuungsgeld. Tja und, wieso arbeitest du dann nicht? Dein Arbeitsplatz in dem Architekturbüro ist dir doch sicher?“
„Weil ich nur einen Kitaplatz in einer ostigen, riesigen Kita bekommen habe und mir Lisa jetzt schon leid tut.“
„Wenn du eine liebe, herzensgute Erzieherin erwischst, ist das piepegal.“
„Meinst du nicht, diese Einrichtung prägt den Geschmack von Lisa für immer?“
Jacky grinst. „Du spinnst wirklich, Nora. Hätte ja nie gedacht, dass DU mal so ein Muttertier wirst.“
„Ich auch nicht. Und ob ich in mein altes Büro zurückkann, ist auch nicht sicher. Als Architektin und Projektleiterin meine ich.“
„Tja. Die müssen dich aber doch nehmen?“
„Aber nicht für genau die gleiche Position wie vorher. Ich will nur maximal 25 Stunden, sonst sehe ich Lisa ja gar nicht mehr.“
„Verstehe. Und das in dem Männerladen! Das riecht nach Kaffee kochen, null Verantwortung, dummen Sprüchen und miesem Gehalt.“
Ich nicke. „Klingt verlockend.“ Und ich beschließe, mich nicht zur Kaffeetante umfunktionieren zu lassen. Nicht
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