Himmel der Suende
allein. Anya und Man’El waren verschwunden.
Er versuchte sich zu erinnern, was geschehen war, doch es war alles so schnell gegangen. Da war eine dicke metallene Kugel mit Spikes. Sie hatte Anya am Kopf getroffen - und ihn gleich mit. Noch etwas blitzte in seinem Gedächtnis auf - im buchstäblichen Sinne ein Blitz, ein greller. Er hatte Man’El getroffen.
Wo waren die beiden?
Sergej war sich sicher, dass sie die Attacke überlebt hatten. Vermutlich waren sie nach oben gebracht worden. Ihn selbst hatte man entweder für tot gehalten oder für zu schwer verletzt, um eine Gefahr darzustellen. Er fluchte noch einmal. Sie mochten Engel oder Götter sein oder was auch immer, er würde ihnen zeigen, dass es ein Fehler war, ihn zu unterschätzen, bloß weil er ein einfacher Mensch war.
Er hatte noch keine Idee, wie er Anya und Man’El zu Hilfe kommen konnte, aber er würde sie auf keinen Fall hängen lassen. Doch zuerst einmal musste er auf die Füße kommen.
Sergej brauchte eine gute Minute, bis er endlich aufrecht stand, und sah dann zu seiner Erleichterung, dass die Gittertür geöffnet war. Er näherte sich ihr vorsichtig - für den Fall, dass draußen ein Wächter stand. Aber da war niemand. Offenbar hatten sie ihn tatsächlich abgeschrieben.
Ehe er hinaus auf den nur spärlich beleuchteten Gang gehen konnte, musste er sich um seine Schulter kümmern. Er visierte den Türrahmen an, biss die Zähne zusammen und rammte dann die Schulter mit aller Kraft dagegen. Der Schmerz war so groß, dass er Sterne sah, und er musste sich mit der Linken festhalten, um nicht wieder zu Boden zu sacken. Erst nach einigen Momenten des Verschnaufens konnte er wieder klar sehen. Dann erst wurde ihm bewusst, dass er noch immer nackt war. Er ging in die Höhle zurück und sammelte seine Hose auf und den Pullover, den Anya zwischenzeitlich getragen hatte.
Verdammt, sie ist wirklich ein Engel! schoss es ihm durch den Kopf, und er hätte beinahe aufgelacht, als er daran dachte, dass normalerweise Engel Menschen beschützten und nicht umgekehrt. Bodyguard für einen Engel - darin steckte schon eine gewisse Ironie. Aber auch nicht mehr als darin, von einem Engel angebetet zu werden.
Zu seiner Überraschung erfüllte ihn der Gedanke mit Stolz und stärkte seinen Vorsatz, sie zu retten - und wenn es das Letzte wäre, das er täte. Er schlüpfte in Hose und Pullover und verfluchte den Umstand, dass er nicht mehr Zeit hatte, die Schulter ein wenig auszuruhen, bis sie weniger empfindlich war für jede noch so kleine Bewegung. Dann schlich er sich nach draußen.
Als Ani’El im Thronsaal des Palasts das Bewusstsein wiedererlangte, war sie aufrecht stehend in Ketten geschlagen. Es waren mehr und dickere Ketten als die, mit denen Man’El gefesselt worden war. Ihre Arme waren so gebunden, dass sie aufrecht schräg in die Höhe ragten. Die Verletzung am Kopf war verheilt, also hatte man sie erst danach gefesselt, aber trotzdem tat ihr der Schädel noch mörderisch weh, und ihr Blick war verschwommen. Es brauchte eine Weile, bis sie die Details ihrer Umgebung wahrnahm. Die Ketten taten ihre Magie-neutralisierende Wirkung. Etwa vier Meter von ihr entfernt standen Sam’Yaza, Theia und jemand, den sie schon seit Jahrtausenden nicht mehr gesehen hatte.
„Ashmo’Deush“, stieß sie aus rauer Kehle hervor.
Der General der Dunklen Horden neigte den Kopf zum Gruß. Die Ehrerbietung war durch sein sadistisches Grinsen ad absurdum geführt.
„Hocherfreut, dich zu sehen“, sagte er. „Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr.“
Ani’El konnte es nicht fassen.
„Ihr macht gemeinsame Sache mit ihnen?“, fragte sie Sam’Yaza und Theia ungläubig.
„Die Himmel waren einst ebenso ihr Zuhause wie das unsere“, erwiderte Sam’Yaza. „Es ist unser Geburtsrecht, dorthin zurückzukehren.“
„Dieses Geburtsrecht ist schon lange verwirkt“, sagte Ani’El. „Für euch - aber ganz besonders für jene. Theia, du selbst warst unter denen, die sie nach der ersten Rebellion zusammen mit Luzifer verbannt und verflucht haben.“
„Die Dinge ändern sich, Ani’El“, sagte Theia lakonisch. „Die Feinde meiner Feinde sind nun meine Freunde. Zu lange habt ihr uns unter dem Deckmantel der Ordnung unterdrückt, bekämpft und gejagt. Das ist vorbei. Ein für alle Mal. Endlich werden wir wieder frei sein.“
„Ihr wisst, dass ihr ihm nicht trauen könnt“, sagte Ani’El. Sie erinnerte sich jetzt wieder an alles. „Bei der erstbesten
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