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Himmel der Suende

Himmel der Suende

Titel: Himmel der Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Riccarda Blake
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retten. Auch wenn er nicht die Spur einer Idee hatte, wie er das wohl anstellen sollte. Er hatte nicht einmal eine Waffe - und schon gar nicht eine, mit der man auch Engel oder gefallene Engel dauerhaft außer Gefecht setzen konnte.
    Er schaute sich um und fand eine Fackel aus Eisen, die in einer Halterung an der Wand steckte. Prüfend zog er sie heraus. Sie war durchaus als Keule zu benutzen, auch wenn er sie mit links würde einsetzen müssen, da sein rechter Arm nach wie vor nicht belastbar war und sich das auch für eine ganze Weile nicht ändern würde.
    Eine Keule gegen die mächtigsten Wesen zwischen Himmel und Erde - wenn es nicht so frustrierend gewesen wäre, hätte er beinahe laut aufgelacht.
    Er ging weiter den Gang entlang. Im nächsten Moment hörte er plötzlich ein Geräusch und presste sich dicht gegen die Wand. Zunächst wusste er nicht, was er da hörte, aber dann merkte er, dass es keine Schritte waren. Es war eine Stimme. Nein, es waren zwei Stimmen. Leise Stimmen, die miteinander sprachen. Er wartete einige Augenblicke lang, um herauszufinden, ob er verstehen konnte, was gesprochen wurde, aber dann erkannte er, dass er dafür zu weit weg war.
    Vorsichtig und die linke Faust fest um den Griff der eisernen Fackel geschlossen, schlich er sich näher.
    Schließlich gelangte er in die Nähe einer weiteren Tür. Von dort kamen die Stimmen. Die Tür stand offen. In der Annahme, dass es sich bei denen, die sprachen, um Schergen Sam’Yazas handelte, überlegte er, wie er sich daran unbemerkt vorbeischleichen sollte, doch dann fiel ihm ein, dass sie mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit bewaffnet waren. Und er brauchte Waffen.
    Er musste nur schnell genug sein.
    Doch zuerst musste er die Lage auskundschaften. So dicht es ging, blieb er an der Wand und rückte auf den Eingang zu. Als er ihn erreicht hatte, drehte er sich herum und spähte vorsichtig an der Kante des Türrahmens entlang hinein.
    Was er sah, waren keine Schergen Sam’Yazas. Es waren eine rothaarige Frau und ein Mann. Beide mit Ketten an je ein Kreuz gefesselt.
    Ani’El bereitete sich innerlich auf das Ende ihres Lebens vor - so gut es ihr möglich war. Jetzt, da sie sich wieder erinnerte, wusste sie, wie unglaublich lang dieses Leben gewesen war. Wie voll und ereignisreich. Dennoch hatte sie das Gefühl, dass das nicht der richtige Zeitpunkt zum Sterben war. Sie hatte doch jetzt erst Sergej kennengelernt, und es gab noch so vieles, das sie mit ihm erleben wollte. Mit ihm und Man’El. Jetzt, da sie durch Luzifers Fluch das erste Mal überhaupt Zeit als wirklicher, hilfloser und sterblicher Mensch und nicht nur in kurzfristig menschlicher Verkleidung verbracht hatte, fühlte es sich an, als hätte ihr Leben gerade erst richtig begonnen. So als wüsste sie erst jetzt, was Leben wirklich bedeutete - wie wertvoll es tatsächlich war. Jeder einzelne Tag, jede einzelne Stunde.
    Sie beobachtete Theia, die mit blutrotem Wachs zwei konzentrische Kreise um sie herum auf den Boden gezeichnet hatte und den Raum dazwischen nun nach und nach mit Symbolen ausfüllte. Zwischen stets zwei davon stellte sie eine hohe schwarze Kerze. Dabei murmelte sie kaum hörbar vor sich hin. Die Magie war selbst Ani’El fremd - sie war älter als aller Zauber, den die Engel beherrschten. Es war die Magie der Elohim. Die Magie, die die Engel überhaupt erst erschaffen hatte, die Erde und die Menschen. Ani’El war irritiert, dass Theia als auf der Erde verbliebene Elohim überhaupt noch über diese Magie verfügte, aber sie zweifelte keine Sekunde daran, dass sie damit dazu in der Lage sein würde, an die Schlüssel zu gelangen.
    In der Zwischenzeit bereitete Sam’Yaza einen Altar vor, den die Suburi gegenüber von Ani’El außerhalb des Kreises aufgebaut hatten. Es war eine Tafel aus dickem und reichlich beschnitztem Teakholz, die auf vier stabilen Säulenpfosten stand und älter wirkte als der Palast um sie herum. Ani’El fragte sich, warum sie außerhalb des Kreises stand, wenn sie darauf hingerichtet werden sollte. Auf einem Extratisch legte Sam’Yaza gerade ein Sortiment rasierklingenscharfer Messer, Spieße, Nadeln und Dolche aus penibel poliertem Silber zurecht, und der vorfreudige Blick, den er dabei aufgesetzt hatte, sandte Ani’El eine Gänsehaut über den Körper.
    Wieder überlegte sie, ob sie ihnen die Schlüssel nicht einfach ohne jede Gegenwehr überlassen sollte; aber das durfte sie nicht. Zuviele Schicksale hingen davon ab - und die Chance, dass

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