Himmel uber Langani
halten. Wo bleibt eigentlich das Mittagessen? Wir müssen uns beeilen, damit wir fertig sind, wenn der Tierarzt kommt.« Er hob die Stimme. »Hannah, wo bist du? Wir sind am Verhungern!«
Als Hannah am Nachmittag an Jans alten Schreibtisch zurückkehrte, lächelte sie vor sich hin. Nach und nach kehrte eine neue Ordnung ein. Beim Kaffeetrinken hatte Piet ihr einen guten Vorschlag gemacht, und sie freute sich schon darauf, Kamau mitzuteilen, dass sie seinen Sohn David zum Koch ausbilden würde. Das war eine wichtige Geste, bei der das Gesicht gewahrt werden konnte. Sie würde Vater und Sohn heute Abend zu sich bestellen und ihnen die Neuigkeit verkünden. Als sie gerade einen Ordner aus der Schublade zog, klopfte es an der Tür. Lars stand auf der Veranda, und seine große Gestalt warf einen Schatten in den Raum. Er wählte seine Worte sehr sorgfältig.
»Ich fahre heute Nachmittag nach Nanyuki«, sagte er. »Und da dachte ich, du möchtest vielleicht mitkommen. Am Stadtrand wohnt eine Holländerin, die guten bedruckten und handgefärbten Stoff herstellt. Vielleicht wäre er für Vorhänge geeignet. In der Lodge. Soll ich dich zu ihr bringen? Anschließend könnten wir in den Club fahren, Tennis spielen und etwas trinken.«
Sie verstand sofort, dass er ihr damit Zusammenarbeit anbieten wollte, legte die Akten beiseite und griff nach ihrer Brieftasche.
»Gute Idee«, sagte sie lächelnd und legte ihm die Hand auf den Arm. »Lass uns einkaufen gehen.«
Kapitel 11
Kenia, August 1965
Ziellos und glücklich ließen sie sich im Meerwasser treiben. Die gleißende, sengende Sonne blendete Sarah, und sie schloss die Augen. Eine Reihe kleiner, plätschernder Wellen umspielte sie und erzeugte eine wohlige Gänsehaut auf ihren Armen. Es war ihr letzter Tag an der Küste, und sie wünschte, er würde nie vorübergehen. Sie lauschte auf das Flüstern des Winds in den Kasuarinenbäumen am Strand und auf das leise Rauschen der Palmwedel, die die kleine, gemietete Hütte umgaben. Morgen würden sie nach Nairobi fliegen, wo Piet sie erwartete. Sie würden die Nacht in George Broughton-Smiths Wohnung verbringen und dann nach Langani fahren. Sie öffnete ein Auge und spähte hinüber zu Camillas perfektem Körper, der einige Meter von ihr entfernt im Wasser trieb.
»Warum kann ich keine hervortretenden Schlüsselbeine haben, und Wangenknochen, die Schatten werfen und mein Gesicht betonen?«, jammerte Sarah. Aber eigentlich machte es ihr nichts aus, denn ihre Haut war gebräunt, und die Sonne hatte ihr blonde Strähnen ins Haar gezaubert. Und der graue Himmel über Dublin war Tausende Meilen entfernt. Während der letzten beiden Wochen war sie ständig in Hochstimmung gewesen.
»Meine Güte, du bist ein Dummkopf, Sarah.« Camilla drehte sich im Wasser um und schwamm langsam auf die Küste zu. »Du solltest dich besser auf morgen vorbereiten, wenn der große Mann aus seinem Baumhaus steigt, um uns abzuholen«, rief sie ihr über die Schulter zu. »Ich kann es kaum erwarten, wieder auf Langani zu sein. Und wir werden Hannahs Wikinger kennen lernen.«
»Sie sagt, er sei einer der Männer, für die eine Frau in die Küche und an den Herd gehört, während eine Schar quietschender Kinder um sie herumwuselt. Oder sie sollte ihm seine Socken stopfen. Aber keine Farm leiten. Ich glaube, sie duldet ihn lediglich in ihrer Nähe.«
Sarah war nur allzu froh, das Thema wechseln zu können. Das half ihr, das flaue Gefühl der Vorfreude und Angst zu unterdrücken. Morgen würde sie Piet wiedersehen, erkunden, was sich an ihm verändert hatte, und genießen, was ihr vertraut war. Er würde in dem weichen, singenden afrikaansen Tonfall mit ihr reden, den sie so liebte, und sie würde ihn nach all seinen Träumen fragen. Gleichgültig, was bisher geschehen war – sie würde eine herrliche Zeit mit ihm verbringen. Mittlerweile wusste Hannah über alles Bescheid, und so gab es keine Geheimnisse mehr zwischen den Freundinnen. An ihrem ersten Abend an der Küste war die Stimmung gespannt gewesen, als sie sich nach dem Abendessen zusammensetzten. Schließlich hatte Camilla die Sprache auf das Wochenende in London gebracht.
»Ich habe mich schrecklich benommen«, sagte sie zu Hannah. »Was ich Piet angetan habe, ist unentschuldbar. Es ist einfach über mich gekommen – eine reflexartige Reaktion. Piet ist in die Schusslinie zwischen mir und meiner lieben Mutter geraten. Ich habe mich bei ihm dafür entschuldigt. Bei allen. Jetzt kann ich nur
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