Himmel uber Langani
Es ist wichtig, dass du offen zu mir bist.«
»Hast du geglaubt, du müsstest sterben?«, flüsterte sie. »Hattest du Angst, Lars? Ich habe mich so gefürchtet, und jetzt komme ich einfach nicht mehr in den Tritt. Manchmal liege ich nachts wach und höre draußen ein Rumoren … den Wächter oder einen Buschschliefer, der über die Veranda huscht. Eigentlich kenne ich diese Geräusche, aber trotzdem fange ich an zu zittern, ohne dass ich etwas dagegen tun könnte. Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll. Aber ich will nicht, dass Piet mitkriegt, welche Angst ich habe und dass ich so überempfindlich geworden bin.«
Er streichelte ihr das goldblonde Haar, als wolle er ein kleines Kind trösten. »Das geht vorbei, Hannah. Die Zeit heilt alle Wunden. Außerdem bin ich ja jetzt hier, um dir zu helfen, wenn du Angst hast. Vielleicht kommen Lottie und dein Vater auch bald wieder.«
»Darauf würde ich mich nicht verlassen«, erwiderte Hannah. »Außerdem haben wir unser Kreditlimit fast erreicht. Wir haben weniger Milch zu verkaufen und brauchen zusätzliche watu und Geld, um die Lodge fertig zu stellen. Ich weiß nicht, wie wir das schaffen sollen.«
»Wir werden diese Krise überstehen und gestärkt daraus hervorgehen«, entgegnete Lars.
Als Hannah ihn ansah, bekam sie neuen Mut. Bis jetzt hatte sie gar nicht geahnt, wie feinfühlig er war. Für sie war er eben Lars gewesen, der Verwalter ihres Bruders, der immer alles besser wusste. Doch während seiner Abwesenheit war ihr klar geworden, wie wichtig er für die Farm war, besonders jetzt, da die Eröffnung der Lodge bevorstand. Außerdem hatte Lars sie aufgemuntert und getröstet wie ein wahrer Freund. Nun würde würde auch sie behutsamer mit ihm umgehen. Alles andere würde die Zeit bringen.
Am folgenden Wochenende kehrte Viktor zurück. Aus Nairobi brachte er französischen Wein, Champagner und eine Kühlbox mit frischem Hummer mit, die ein dankbarer Kunde am Morgen von der Küste geschickt hatte.
»Ich glaube nicht, dass Kamau weiß, wie man Hummer zubereitet«, meinte Hannah.
»Dann erledigen wir das eben gemeinsam. Ich gehe in die Küche und helfe ihm.«
Hannah war nicht sicher, ob der alte Koch davon begeistert sein würde. Doch Kamau zeigte sich hoch erfreut und war stolz darauf, Viktor in seinem Reich herumführen zu können. Das Abendessen verlief in ausgelassener Stimmung. Lars beobachtete, wie Hannahs Wangen sich röteten und ihre Augen unter dem Einfluss des Weins und der Komplimente zu funkeln begannen. Eifersucht beschlich ihn, und er wurde immer brummiger und missmutiger. Piet fragte sich, wieso er Lars’ Gefühle für Hannah nicht früher bemerkt hatte. Währenddessen rezitierte Viktor Gedichte der Romantik und seine eigenen Werke.
Als Lars am nächsten Morgen Ausschau nach Hannah hielt, erfuhr er, dass sie früh aufgestanden und mit Viktor zur Lodge gefahren sei. Verärgert überlegte er sich, ob er ihnen folgen sollte. Aber vielleicht war Piet ja auch dort und würde Hannah im Auge behalten. Alle kannten die Geschichten über Viktors Eroberungen und seine ausufernden Trinkgelage in Nairobi und Nanyuki. Der Mann war zwar amüsant und ein anregender Gesprächspartner, doch Lars durfte auf keinen Fall zulassen, dass er auch Hannah den Kopf verdrehte. Schließlich steckte sie zurzeit in einer emotionalen Krise. Für einen Mann, der nichts mit der Farm und ihren Problemen zu tun hatte und aus einer schnelllebigen Glitzerwelt kam, würde es deshalb ein Leichtes sein, sie zu beeindrucken und zu verführen. Lars überlegte, wie er sie taktvoll warnen sollte, ohne seine Befürchtungen direkt auszusprechen. Doch Andeutungen und schöne Worte waren nicht sein Fall, und so fiel ihm kein Weg ein, dieses Thema anzuschneiden. Schließlich wollte er sie nicht verärgern – und sie sollte ihm nicht anmerken, wie erbost er selbst war.
Als Viktor am dritten Wochenende hintereinander erschien, konnte auch Piet mit seiner Besorgnis nicht mehr hinter dem Berg halten.
»Hannah, es ist ja nett, wenn Viktor uns gelegentlich besucht«, meinte er. »Er ist amüsant und in kleinen Dosen gut verträglich. Aber sei auf der Hut. Was Frauen angeht, hat er einen gewissen Ruf …«
»Mach dich doch nicht lächerlich«, fiel Hannah ihm ins Wort. »Er arbeitet an einer neuen Lodge in Aberdares und hat auch eine Baustelle in der Nähe von Samburu. Also ist es viel praktischer für ihn, hier zu übernachten, statt nur für das Wochenende den ganzen weiten Weg nach Nairobi
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