Himmel uber Langani
ich in aller Frühe los.«
»Ich dachte, du bleibst bis Montag.« Vor Enttäuschung krampfte sich Hannah der Magen zusammen.
»Die Lichter der Großstadt rufen. Die wahre Welt des Lärms und Ärgers verlangt nach mir. Also muss ich mich von diesem Paradies der frischen Luft und der natürlichen Schönheit verabschieden«, entgegnete Viktor mit einer großartigen Geste. »Wenn ich morgen nicht nach Nairobi fahre, mache ich vielleicht noch eine Dummheit.«
Nach dem Abendessen murmelte Lars eine Entschuldigung und verschwand in der Dunkelheit. Viktor schenkte sich ein Glas Brandy ein und zündete eine Zigarre an. Hannah setzte sich neben ihn, schnupperte den teuren Duft und zählte die Minuten, bis Mwangi ihnen eine gute Nacht wünschen würde, damit sie Viktor endlich für sich allein hatte. Als er sie leicht berührte, entflammte ihre Begierde, und sie musste selbst über ihr Ungestüm und ihre Schamlosigkeit lachen. Schließlich waren sie allein. Lachend stürzte er sich auf sie, und sie warf sich in seine Arme und küsste ihn voller Verlangen.
Beim Abschied benahm er sich, als wäre nie etwas zwischen ihnen vorgefallen. Lars stand mürrisch und schweigsam dabei, als Viktor ihr einen Kuss auf die Wange gab und dann davonfuhr. Hannah drehte sich um und stieg die Stufen der Veranda hinauf. Auch wenn sie es nicht wahrhaben wollte, fühlte sie sich im Stich gelassen. Er hatte nicht gesagt, wann er zurückkehren würde, und ihr auch sonst keine Versprechungen gemacht. An diesem sonnigen Morgen sangen die Vögel und die Blumen dufteten, doch sie bemerkte nichts von alldem.
»Schön, dass du heute nicht abgelenkt bist«, meinte Lars. »Es müssen nämlich dringend einige Briefe beantwortet werden.«
»So dringend ist das nun auch wieder nicht«, erwiderte Hannah. »Kopf hoch, Lars, schau nicht so miesepetrig. Du machst mich ganz nervös.«
»Vielleicht liegt es daran, dass ich besorgt um dich bin.«
»Hör zu, Lars«, meinte sie. »Wir müssen zusammenarbeiten. Seit Monaten plage ich mich jetzt schon mit der Bank, dem Vieh, der Einrichtung der Lodge und mit schmollenden Angestellten ab. Und jetzt habe ich mir selbst einen Bronzeleopard geschenkt und mich ein bisschen amüsiert. Eigentlich solltest du dich freuen, dass es mir besser geht. Aber stattdessen bist du wütend – oder sogar eifersüchtig.«
»Ja, ich bin sehr eifersüchtig, wenn du es so genau wissen willst«, erwiderte er ohne Umschweife. »Und wenn du dich schon mal für meine Gefühle interessierst, Hannah, sollst du erfahren, dass ich eifersüchtig bin, weil ich dich liebe. Ich liebe dich, und ich warte schon so lange auf den richtigen Moment, um allein mit dir zu sein und es dir zu sagen. Es gefällt mir nicht, was dieser Mann mit dir macht, mit seinem Wein, dem Parfüm und all den anderen teuren Geschenken aus Nairobi. Du solltest ihm verbieten, weiter am Wochenende hierher zu kommen, als wären wir ein Hotel …«
»Ich werde nichts dergleichen tun«, entgegnete Hannah mit wachsendem Unmut. »Er ist Piets Architekt und Freund und kann uns auf Langani besuchen, sooft er will. Außerdem bin ich durchaus in der Lage, auf mich selbst aufzupassen.«
»Ich liebe dich, Hannah. Hast du mir denn nicht zugehört? Ich liebe dich.« Schmerzlich wurde ihm bewusst, dass der Augenblick schlecht gewählt war.
»O Lars, darüber möchte ich jetzt nicht sprechen. Ich bin so durcheinander. Ständig fühle ich mich wie ein Teil eines Dreiecks mit dir und Piet. Du bist ein wunderbarer Mensch, Lars. Dir haben wir es zu verdanken, dass die Farm noch besteht. Du warst gut zu mir, und du bist der beste Freund meines Bruders. Aber wir sind ständig zusammen und haben Tag für Tag mit denselben Problemen zu tun.« Sie fuhr sich mit der Hand über die Augen und überlegte, wie sie sich ausdrücken sollte, um ihn nicht zu kränken. »Tut mir Leid, ich kann im Moment nicht darüber nachdenken oder reden.«
Verdammt, dachte sie, als sie davonging. Ich wollte ihm nicht wehtun oder ihn unglücklich machen. Aber sie fühlte sich von Lars unter Druck gesetzt. Bis jetzt hatte sie keine Gelegenheit gehabt, ihre Ausbildung zu beenden, geschweige denn nach Europa zu reisen oder Menschen außerhalb ihres engsten familiären Umfelds kennen zu lernen. Sie dachte an Sarah, die in Irland die Universität besuchte, und an Camillas mondänes Leben in europäischen Prominentenkreisen – auch wenn es damit nun vielleicht vorbei war. Es bedrückte sie, dass ihr so enge Grenzen gesteckt
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