Himmel uber Langani
waren. Ihr fehlte das Geld, um auch nur ein Wochenende in Nairobi zu verbringen, ganz zu schweigen von einer Auslandsreise. Alles musste für die Farm und für Piets Lodge geopfert werde. Das war auch richtig so. Langani war ihr Zuhause, der Ort auf der Welt, der ihr am meisten am Herzen lag, und der Mittelpunkt ihres Lebens. Aber dennoch sehnte sie sich nach Abwechslung, nach einem Hauch von Exotik in ihrem Alltag, nach etwas, das es ihr ermöglichte, sich wenigstens für kurze Zeit leicht und schön und frei zu fühlen. So wie Viktor es tat. Viktor, der ihr aufregende Geschichten ins Ohr flüsterte. Viktor, der sie küsste und liebkoste, während ein verwegenes Lächeln um seine Lippen spielte. Sie erinnerte sich daran, wie er sie hinter dem Ohr gekitzelt und ihr eine zweideutige Anspielung zugeraunt hatte. Lachend machte sie sich auf den Weg in die Molkerei.
Kapitel 15
London, September 1965
W as zum Teufel ist denn mit deinem Gesicht passiert?« Ricky Lane starrte Camilla mit offenem Mund an. Dann schlug er die Hände vor die Augen und ließ sie mit einem theatralischen Seufzer wieder sinken. »Ist dir nicht klar, dass wir in sechs gottverdammten Tagen in New York erwartet werden? Und du tauchst verbunden und verbeult bei mir auf und siehst aus wie Gräfin Dracula!«
»Eigentlich hätte ich ja ein ›Guten Morgen, schön, dass du wieder da bist‹ erwartet«, gab Camilla zurück. »Die Farm, auf der ich in Kenia gewohnt habe, wurde von bewaffneten Männern überfallen. Und da du schon so nett fragst: Wir alle hatten das Glück, mit dem Leben davonzukommen. Wenn man bedenkt, was sonst noch hätte passieren können, ist das nur ein Kratzer.«
»Nur dass du jetzt, schwuppdiwupp, von den Titelseiten der amerikanischen Modezeitschriften gestrichen bist, mein Schatz, und ich mit dir. Habe ich dich nicht gewarnt, wie gefährlich es in Afrika ist? Wärst du doch mit mir nach Ibiza gereist! Doch nein, du musstest dich ja unbedingt bei den gottverdammten Niggern rumtreiben! Jetzt sind wir beide ruiniert. Verdammt, du hast uns die beste Chance unseres Lebens verdorben! Dir kann das ja egal sein, schließlich erstickt deine Familie im Geld. Doch für mich war das die größte Chance meiner ganzen Karriere, und deinetwegen ist jetzt alles zum Teufel!«
Sein Wutausbruch erschreckte Camilla. Ihr Blick wanderte zu dem ungemachten Bett im hinteren Teil des Studios, aus dem er sich gerade hochgerappelt hatte, um an die Tür zu gehen. Auf dem Arbeitstisch lagen die Fotos, die ihnen den Auftrag in New York eingebracht hatten. Camilla betrachtete ihr Abbild, ein Mädchen in einem Abendkleid aus Satin, das in einem Blumenfeld stand. Das schimmernde Haar wurde ihr aus dem – makellos schönen – Gesicht geweht.
»Ich könnte meine Frisur ändern. Sassoon soll mir etwas Geometrisches mit langen Ponyfransen schneiden. Mit dicker Schminke müsste sich die Wunde überdecken lassen.«
»Schon gut«, höhnte er. »Niemandem wird auffallen, dass deine ganze Stirn bandagiert ist. Nur dass sich dann im Central Park, wo die Modeaufnahmen stattfinden, kein Lüftchen regen darf. Wir könnten uns auch auf die Knie werfen und zum lieben Gott beten, dass nicht der Hauch einer Brise weht, wenn wir in der Fifth Avenue fotografieren – und das, obwohl die vielen Wolkenkratzer wie ein Windkanal wirken. Vielleicht halten die Leser der amerikanischen Vogue das Ding auf deiner Stirn ja für ein neumodisches Stirnband. Damit könntest du zum modischen Vorbild für Millionen werden, verdammt.«
Camilla ließ sich auf einen Stuhl fallen, erschöpft von der herbstlichen Kühle, die ihr bis ins Mark drang. Sie war direkt vom Flughafen zu Ricky gefahren, wohl wissend, dass er enttäuscht sein würde. Allerdings hatte sie nicht mit dieser gefühllosen Reaktion gerechnet. Sie arbeiteten regelmäßig zusammen, und bis jetzt hatte sie eigentlich auch angenommen, dass sie Freunde waren. Nun wurde ihr klar, dass sie sich in ihm getäuscht hatte. Für ihn war sie nur ein Werkzeug, um seine Karriere voranzutreiben.
»Ich gehe noch heute zu Tom Bartlett«, erklärte sie. »Schließlich ist er nicht nur unser Agent für gute Zeiten. Bestimmt kann er uns jede Menge hübscher Mädchen nennen, die schon in den Startlöchern stehen, um mich bei den Modeaufnahmen zu vertreten. Also gibt es keinen Grund, warum du dieses Projekt aufgeben müsstest. Schließlich haben sie dich nicht als meine Gouvernante engagiert, Ricky. Du hast den Auftrag bekommen, weil ihnen deine
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