Himmel uber Langani
allein sein.«
Um nicht über das Thema Kenia sprechen zu müssen, schaltete Camilla den Fernseher ein. Gemütlich saßen sie nebeneinander auf dem Sofa, tranken Tee und sahen zu, wie der stattliche, unnachsichtige Richard Dimbleby für Gerechtigkeit auf der Welt sorgte.
Die lackierten Türen der Praxen in der Harley Street mit ihren diskreten Messingschildern wirkten an diesem regnerischen Vormittag sehr abweisend. Edward Carradines Wartezimmer war teuer und steif eingerichtet und außerdem überheizt. Camilla starrte auf die Schlagzeilen der Tageszeitung und vermied den Blickkontakt mit dem Paar mittleren Alters, das sie beim Betreten des Raums angestarrt und dann zu tuscheln begonnen hatte. Sie wollte nicht, dass die Menschen sie erkannten oder über sie sprachen. Obwohl es sie eigentlich gar nichts anging, ärgerte es sie, dass diese elegante Frau, die die Hand ihres Mannes hielt, offenbar versuchte, einen Traum von ewiger Jugend wahr werden zu lassen. Ihr Mann sollte sie bedingungslos lieben, dachte Camilla, auch wenn sie ein paar Falten bekam oder ihr Kinn ein wenig schlaffer wurde. Vermutlich hatte er eine Affäre mit seiner Sekretärin und begleitete seine Frau nur, um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen. Eine Gesichtsoperation würde daran auch nichts ändern. Die beiden wirkten bedrückt, als wüssten sie, dass diese ganze Unternehmung nur eine Farce war. Die Uhr auf dem Kaminsims tickte laut, und Camilla fühlte sich, als rücke ihr Leben in London, das sie stets für selbstverständlich gehalten hatte, immer mehr in weite Ferne. Ihre Nervosität wuchs mit jeder Minute. Schließlich öffnete sich die Tür des Behandlungszimmers, und ein halbwüchsiger Junge kam heraus. Sein Gesicht war schrecklich zernarbt, die Haut fleckig, violett verfärbt und von Striemen durchzogen. Sein Lächeln erinnerte an eine schiefe Grimasse.
»Er macht sich ganz prima.« Edward Carradines Stimme klang beruhigend, ein professioneller Tonfall, den er sicher schon millionenfach angeschlagen hatte, um Zuversicht zu verbreiten. Er legte den Arm um die Frau und schüttelte ihrem Mann die Hand. »Keine Sorge, Emily, Ihr Junge wird wieder gesund. Die Wunden heilen großartig. Keine Infektion, und die Schwellungen gehen auch schon zurück.« Er drehte sich zu dem Jungen um. »Wir sehen uns in einem Monat, James. Nun dauert es nicht mehr lange, bis wir den letzten Operationstermin ansetzen können. Dann wirst du wieder recht gut aussehen.«
Camilla wurde von Scham und Mitleid ergriffen, als sie den Gesichtsausdruck der Mutter bemerkte. Hastig wandte sie sich ab, um sich nicht in diesen Augenblick der Hoffnung und Dankbarkeit hineinzudrängen. Dann durchquerte der Arzt den Raum, begrüßte Marina freundschaftlich und tätschelte ihr die Schulter.
»Marina. Wie geht es Ihnen? London bekommt Ihnen offenbar prima. Camilla, es tut mir Leid, dass wir uns nicht unter angenehmeren Umständen kennen lernen. Ich bin Edward Carradine und denke, dass wir beide in nächster Zeit zusammenarbeiten werden. Treten Sie bitte näher.«
Camilla streckte sich auf der hohen, steifen Liege aus und hielt den Atem an, während Edward Carradine die lange Narbe durch ein Vergrößerungsglas betrachtete und vorsichtig die umliegende Haut betastete.
»Machen Sie die Augen auf und sehen Sie mich an. Folgen Sie meinem Finger. Schauen Sie nach oben, nach unten, zur Seite.« Dann neigte er sich nach vorne und hob ihr Kinn an, sodass der Lichtkegel der Lampe auf ihr Gesicht fiel. Als er ihre Hand berührte, löste diese stumme Geste sofort ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit in ihr aus. »Kommen Sie und setzen Sie sich zu mir und Ihrer Mutter. Dort drüben können wir uns besser unterhalten. Möchten Sie Tee oder Kaffee?«
»Auch wenn es absurd oder sogar herzlos klingt«, begann er, als sie alle saßen, »hatten Sie großes Glück. Das Messer muss sehr scharf gewesen sein, weshalb Ihre Haut nicht zackig eingerissen ist.« Beim Sprechen hielt er einen Spiegel hoch. »Die Wunde ist tief und ziemlich lang, verläuft aber bis auf dieses kleine Häkchen am Ende in einer relativ geraden Linie quer über Ihre Stirn. Sie können Gott wirklich danken, dass das Messer nicht ein Stück tiefer in die Braue oder gar in Ihr Auge eingedrungen ist. Nur an dieser Stelle werde ich mich etwas anstrengen müssen. Der Arzt in Kenia hat übrigens gute Arbeit geleistet, und es war völlig richtig, die Wunde sofort zu nähen. Die Haut hat bereits angefangen zu heilen, ohne
Weitere Kostenlose Bücher