Himmel uber Langani
dass eine breite Ritze zurückgeblieben wäre. Das ist wichtig für eine minimale Narbenbildung.«
»Werde ich also eine Narbe zurückbehalten?« Camillas Mund war trocken. »Wie schlimm wird es aussehen? Kann ich etwas tun, um sie zu verstecken? Natürlich nicht sofort, aber irgendwann später.«
Er erläuterte ihr den Heilungsprozess und den Verlauf einer Hauttransplantation. Man müsse warten, bis die Wunde völlig geschlossen und abgeheilt sei, bevor man operieren könne. Bis zur Bildung einer oberflächlichen Kruste werde es drei bis vier Wochen dauern. Als Camilla das Wort »Kruste« im Zusammenhang mit ihrem Gesicht und ihrer Haut hörte, drehte sich ihr fast der Magen um. Man müsse abwarten, wie die Wunde im geschlossenen Zustand aussah, meinte der Arzt. Er bat Camilla, ihr eine andere Narbe an ihrem Körper zu zeigen, um die Heilungsfähigkeit ihrer Haut einschätzen zu können. Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen sei, werde er die Narbe behandeln, indem er ihre Stirnhaut gerade und mit ganz feinen Fäden zusammennähte, die man nicht sehen könne. Bis diese neue Naht geschlossen sei, würden wieder einige Monate vergehen. Doch nach den ersten Wochen sei es möglich, sie zu überschminken. Seine Worte drangen nur noch verzerrt an Camillas Ohr wie ein schlecht zu empfangender Radiosender. Verzweiflung ergriff sie, als sie sich ausmalte, dass sie für Monate oder sogar für Jahre entstellt sein würde. Um ihr Entsetzen zu verbergen, senkte sie den Kopf und starrte auf den Teppich. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie ihr Leben jetzt weitergehen sollte.
»Ihre Haut ist jung und elastisch«, fuhr Carradine fort. »Wenn Sie auf Ihre Gesundheit achten, während die Wunde abheilt und sich schließt, können wir mit guten Ergebnissen rechnen. Allerdings müssen Sie Ihre Haut sorgfältig pflegen, aber das ist in Ihrem Beruf ohnehin normal. Außerdem brauchen Sie Ruhe. Vielleicht sollten Sie mit Ihrer Mutter aufs Land fahren und die frische Luft genießen. Sie hat mir am Telefon gesagt, sie hätte ein hübsches Häuschen in den Cotswolds. Und jetzt mache ich Ihnen einen unauffälligeren Verband.«
Als er aufstand, bemerkte Camilla, die auf dem Sofa saß, wie groß er war. Seine Bewegungen waren kraftvoll und anmutig, sein teurer Anzug schien aus Italien zu stammen, und seine handgenähten Slipper waren mit Troddeln versehen und auf Hochglanz poliert. Nachdem er fertig war, nahm er ihr gegenüber in einem Lehnsessel Platz und hielt ihr einen Spiegel hin.
»Das einzige Problem ist das Häkchen an der Narbe, das nicht parallel zu Ihren natürlichen Stirnfalten verläuft«, sagte er. »Für den geraden Teil der Narbe habe ich eine Technik entwickelt, die ich anwende, wenn sich beim Abheilen einer Verletzung eine Wulst bildet. Es ist so ähnlich, als würde man die erhabenen Hautpartien mit Sandpapier abschleifen – etwa wie beim Glätten einer wunderschönen Skulptur. Allerdings bin ich noch nicht sicher, ob das in Ihrem Fall angebracht ist. Wir müssen noch ein wenig warten, bevor wir eine Entscheidung fällen.«
»Wie lange?« Marina ergriff zum ersten Mal das Wort.
»Ich denke zwei bis drei Monate. Bis dahin, Camilla, müssen Sie sehr vorsichtig mit Ihrer Haut sein. Meiden Sie grelles Sonnenlicht, keine Zigaretten, denn durch das Rauchen ziehen sich die Blutgefäße zusammen, was die Heilung beeinträchtigt. Aus demselben Grund sollten Sie auch wenig Alkohol trinken. Außerdem müssen wir noch klären, welche Kosmetika Sie benutzen dürfen. Und wie ich betonen muss, brauchen Sie viel Ruhe. Doch ich bin sicher, dass wir mit guten Ergebnissen rechnen können.«
»Ich bin Fotomodell und habe jede Menge Verpflichtungen. Eigentlich müsste ich jetzt zu Fotoaufnahmen nach New York fliegen.«
»Ja, das hat Tom Bartlett mir gestern am Telefon erklärt. Er rief mich kurz vor Ihrer Mutter an.«
»Gibt es denn gar keine Möglichkeit, die Narbe zu überschminken, während sie heilt? Ansonsten würde das heißen, dass ich monatelang nicht arbeiten kann, und das ist unmöglich.«
»Liebes, du solltest jetzt nur an deine Gesundheit denken«, wandte Marina ein. »Du musst Geduld haben, wenn Edward dir helfen soll. Es spielt doch keine Rolle, wenn du nicht …«
»Aber natürlich tut es das!« Camillas Stimme hallte in dem stillen Raum wider. »Mein Gesicht ist ruiniert, und ein Fotograf hat mir bereits den Laufpass gegeben. Also behaupte nicht, dass es keine Rolle spielt! Mein Gott, Mutter, wo lebst du denn? Was soll
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