Himmel uber Langani
Ängste zu vertreiben.
Als sie früh am nächsten Morgen vom Telefon geweckt wurde, hob sie nicht ab. Sie hatte schlecht geschlafen und fühlte sich so verängstigt, dass sie den Tränen nah war. Sie schlug einen Roman auf und versuchte zu lesen, aber die Seiten verschwammen ihr vor den Augen, sodass sie das Buch wieder weglegte. Als erneut das schrille Läuten des Telefons ertönte, schrak sie zusammen, ging allerdings wieder nicht an den Apparat, da sie fürchtete, es könnte ihr Vater sein. Vielleicht war es ja auch Tom Bartlett, der ihr mitteilen wollte, dass sämtliche Kunden die Aufträge storniert hatten. Das Döschen mit den Beruhigungstabletten stand im Bad. Sie öffnete es und schluckte eine Tablette. Anschließend legte sie sich wieder ins Bett, schloss die Augen und malte sich aus, dass sie im Camp in Samburu wäre. Sie versuchte sich Anthonys Gesicht vorzustellen, doch sie konnte es nicht deutlich erkennen, sosehr sie sich auch anstrengte. Von einem Gefühl der Einsamkeit ergriffen, schlief sie schließlich ein. Als das Telefon wieder läutete, presste Camilla das Kissen an den Kopf, um das Geräusch auszublenden. Allerdings war es nicht ihr Stil, sich vor Auseinandersetzungen zu drücken. Und da sie ja nicht ewig vor den unangenehmen Aspekten ihres Familienlebens fliehen konnte, griff sie endlich nach dem Hörer.
»Camilla.« George Broughton Smith klang gedämpft. »Ich muss dich sehen. Es ist dringend.«
Beim Klang seiner Stimme musste sie wieder an die abstoßende Szene im Schlafzimmer denken. »Nein.«
»Ich habe dir viel zu sagen. Es ist das Beste, wenn wir es hinter uns bringen. Dann kannst du entscheiden, was du tun willst.«
»Nein, ich will mich weder mit dir treffen noch mit dir reden. Bitte ruf mich nicht mehr an.«
Am liebsten hätte sie ihn angeschrien und mit aller Kraft auf ihn eingeschlagen, denn durch seine perversen Launen hatte er die Familie zerstört. Bedrückt dachte sie an ihr Versprechen, ihn um finanzielle Unterstützung für Langani zu bitten. Doch es schien ihr unvorstellbar, ein Gespräch mit ihm zu führen. Langsam stand sie auf und ging zum Fenster. Der Platz vor dem Haus, ja, die ganze Welt, wirkte unverändert. Im Garten blühten noch die Herbstrosen, eine leichte Brise wehte kupferfarbene Blätter über den Rasen, eine Drossel plantschte im Vogelbad. Ein kleines Mädchen spielte mit einem Puppenwagen, während seine Mutter auf einer nahe gelegenen Bank in einer Zeitschrift blätterte. Aus dem Flur hörte sie ein Scharren und Klappern, als der Hausmeister die Post in den Briefschlitz steckte. Sie lief hin, um die Morgenzeitung zu holen. Nach dem Telefonat mit ihrem Vater hatte sie Kopfschmerzen und fühlte sich ausgelaugt. Camilla zog sich an, griff nach der Zeitung und ging frühstücken, fest entschlossen, ihre Niedergeschlagenheit zu bekämpfen. Im Café in der Brompton Road bestellte sie Eier mit Speck und dazu Kaffee und begann dann zu lesen. Die Meldungen waren nicht sehr interessant, aber auf Seite zwei stach ihr eine Schlagzeile ins Auge. Ein kenianische Regierungsdelegation unter der Leitung eines Politikers namens Johnson Kiberu war gerade in London eingetroffen, um über eine Tourismusförderung für ihr Land zu verhandeln. Es waren Treffen mit dem Außenminister und dem Minister für Wirtschaftsentwicklung in Übersee geplant. Die Delegation wohnte im Hotel Savoy. Während sie ihr Frühstück beendete und in ihre Wohnung zurückging, reifte ein Plan in ihr. Der Tag schleppte sich dahin, und erst am späten Nachmittag läutete erneut das Telefon. Es war Marina.
»Liebes, du hast ein wundervolles Wochenende verpasst! Du hättest mitkommen sollen. Möchtest du mit mir zum Abendessen gehen?«
»Nein danke. Ich habe heute keine Lust auf Gesellschaft.«
»Ist alles in Ordnung, Camilla? Du klingst so bedrückt.«
»Mir geht es gut. Wirklich.«
»Also schön, Liebes. Dann unterhalten wir uns morgen.«
Eine halbe Stunde später stand Marina vor der Tür. »Ich habe mir Sorgen um dich gemacht«, sagte sie. »Du hast so komisch geklungen. Hast du Kopfschmerzen?«
»Nein, ich muss gleich weg, Mutter. Dein Besuch passt mir jetzt nicht.«
»Camilla, ich muss mich setzen. Außerdem brauche ich ein Glas Wasser und vielleicht einen Kaffee.« Marinas Gesicht war aschfahl, und sie schwankte ein wenig, als sie zum Sofa ging und Zigaretten und Feuerzeug aus der Tasche holte. »Ich weiß, dass etwas nicht stimmt. Wenn du mit mir nicht darüber sprechen willst,
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