Himmel uber Langani
solltest du vielleicht mit deinem Vater reden. Er ist wieder hier. Allerdings war er bereits im Büro, als ich aus Burford zurückkam. Hast du ihn schon gesehen?«
»Nein.«
»Ich sollte ihn anrufen und fragen, ob er heute Abend mit uns essen gehen möchte.«
»Warum hast du ihn nicht verlassen?«, schrie Camilla, die ihre Wut nicht mehr zügeln konnte.
»Ich verstehe nicht, wie du …« Marinas Augen weiteten sich vor Erstaunen.
»Ich weiß, was er ist und dass er dich nicht liebt. Er ist ein …«
»Camilla, mein Kind, du bist überlastet. Das muss der Schock sein, eine verspätete Reaktion …«
»Hör auf, Mutter! Verschone mich mit dieser Schmierenkomödie. Denn ich kenne jetzt sein wahres Gesicht! Er treibt es mit Männern!«
Marina starrte ihre Tochter mit zitternden Lippen an, und Tränen traten ihr in die Augen. »Mein Gott, du solltest es nie erfahren«, sprudelte sie hervor. »Wir wollten nie …«
»Ihr habt mein Leben ruiniert! Ich hasse dich, Mutter. Ich hasse euch beide für alles, was ihr mir all die Jahre lang verheimlicht habt. Ihr habt mir Theater vorgespielt. Du hättest mich mitnehmen und ihn verlassen sollen.«
»Nein, so einfach ist das nicht. Das Leben ist viel komplizierter. Ich habe deinen Vater geliebt.« Die Wimperntusche rann über Marinas Gesicht, als sie ihre Tochter ansah. »Ich habe ihn immer geliebt, und das tue ich heute noch. Ich hätte mich nicht von ihm trennen können. Das hätte das Ende seiner Diplomatenlaufbahn bedeutet. Nie hätte er einen so hohen Posten bekommen.«
»Hat er dich deshalb geheiratet? Damit seine Karriere nicht darunter leidet?« Eine tödliche Ruhe hatte Camilla ergriffen. Sie wollte alles wissen. Jede widerwärtige Einzelheit ihres Lebens sollten sie ihr erklären. »Du hast es doch sicher geahnt! Wie lange macht er das schon? Ist er eigentlich mein wirklicher Vater?«
»Er hat es versucht.« Marina weinte wieder. »Anfangs hat er sich solche Mühe gegeben. Ich wäre nie darauf gekommen, so sehr hat er sich angestrengt. Aber dann konnte er einfach nicht mehr so weiterleben. Erst dachte ich, er hätte eine Affäre mit einer Kollegin. Wir haben uns ständig gestritten, weil ich eifersüchtig und zornig war. Aber ich konnte ihn nicht verlassen.«
»Und hat dich nicht interessiert, welche Folgen diese Farce für dein Kind haben könnte? Du hast beschlossen, dass die finanzielle Sicherheit und eine Karriere beim Auswärtigen Amt wichtiger sind.«
»Ich wollte bei ihm bleiben und habe gedacht, dass er sich vielleicht ändern wird. Ich habe gehofft, dass wir uns gemeinsam eine Zukunft aufbauen können. Er wollte das auch. Schließlich war er ein brillanter junger Mann mit großartigen Aussichten. Und ich wollte das mit ihm teilen.«
»Was mit ihm teilen? Du hast gerade zugegeben, dass er keinen Mumm in den Knochen hatte und sich hinter deinem Rock verstecken musste. Er hat dich benutzt, um Karriere zu machen.«
»Du weißt genau, was man von geschiedenen Diplomaten hält. Viele Frauen halten durch, finden Mittel und Wege, damit das Leben weitergeht, und geben sich mit dem bisschen Liebe zufrieden, das sie bekommen. Und außerdem ist es ja noch immer strafbar, wenn man vom anderen Ufer ist.« Marinas Tonfall war flehend. »Dein Vater ist kein Verbrecher, Camilla. Er ist nur nicht so wie die anderen Männer, tja, zumindest nicht so wie die meisten. Aber er ist nicht kriminell. Ein Prozess hätte unser Ende bedeutet. Er hätte ihn ruiniert. Ich musste zu ihm halten und so tun, als wäre ich mit einem ganz normalen Mann verheiratet. Eines Morgens, als ich seine Winter- und Sommeranzüge neu sortiert habe, habe ich einige Briefe gefunden. Sie waren von einem Strichjungen, der Geld verlangte. Anfangs konnte ich nicht glauben, was in diesen Briefen stand. Dann hat George mir versprochen, dass es nie wieder vorkommen würde und dass das alles jetzt hinter ihm läge. Unter Tränen hat er geschworen, dass er mich liebt und dass du und ich das Wichtigste in seinem Leben seien. Dann sind wir nach Nairobi gegangen. Es hat uns einiges gekostet, aber wir haben alles überstanden.«
»Und was ist mit dem Preis, den ich gezahlt habe? Schließlich musste ich eure Streitereien und deinen Hass auf ihn ertragen?«
»Ich habe ihn nie gehasst. Nur das, was durch sein Doppelleben aus uns geworden war.«
»Also ist er bei dir geblieben, weil er dir etwas schuldete. Du hast ihm den Hals gerettet, und er musste dafür bezahlen. Und das wird er für den Rest seines
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