Himmel uber Langani
und Dan hingegen schienen sich überhaupt nichts dabei zu denken. Aber schließlich waren sie miteinander verheiratet. Sarah hoffte, dass sie auch einmal so unbekümmert sein würde wie ihre Begleiter. Schließlich war es albern, sich so prüde zu benehmen, als wäre sie noch auf der Klosterschule. Allerdings war Sarah dankbar, dass Erope und Julius weiter reglos im Schatten des Baumes lagen, während sie sich anzog. Erfrischt stiegen sie wieder in den Landrover und setzten ihre Fahrt fort. Sarah fragte sich, ob die Fährtenleser vielleicht auch gerne geschwommen wären, aber da niemand das Thema erwähnte, schwieg auch sie. Langsam fuhren sie ein lugga [60] entlang, das sich nach den heftigen Regenfällen mit schlammigem, träge dahinfließendem Wasser gefüllt hatte. Dort stießen sie zu Sarahs Freude doch noch auf eine Herde Elefanten, die tranken und friedlich im Busch grasten.
»Hier ist eine unserer Familien«, murmelte Allie. »Wir nennen sie zu Ehren der Leitkuh die Dame Nelly Melbas. Sie ist eine ziemliche Diva und hört gern ihre eigene Stimme. Warte nur, bis sie trompetet, um die frechen jungen Bullen zurechtzuweisen! Normalerweise lassen sie sich von uns nicht bei ihren alltäglichen Verrichtungen stören und sind an das Geräusch unseres Autos gewöhnt.«
Gebannt starrte Sarah die Elefanten an. Bevor sie zur Kamera griff, saß sie einfach nur da und betrachtete ehrfürchtig die gewaltigen und dennoch so anmutigen Tiere. Auf der Suche nach zarten jungen Büschen und Bäumen, von denen sie Zweige abrissen, näherten sie sich dem Landrover. Einige kamen so dicht heran, dass Sarah jede Falte und jedes Haar auf der runzeligen Haut, das Funkeln in ihren kleinen klugen Augen und die Rillen an ihren riesigen Schlappohren erkennen konnte. Die Tiere strahlen eine bemerkenswerte Harmonie, Ruhe und Zufriedenheit aus, als sie fast geräuschlos ihr Revier durchschritten. Nur das Knacken von Ästen und Zweigen war zu hören; die riesigen Füße hoben sich geschmeidig und wirbelten kleine Staubwolken auf, wenn sie sich mit kraftvollen, gemessenen Bewegungen wieder auf den Boden senkten. Sarah beobachtete fasziniert, wie sie ihre Rüssel einsetzen, um vorsichtig Büsche und junge Triebe zu beschnuppern und, sanft Atemluft auspustend, verschiedene Blätter zu betasten. Schon kurz darauf hatten sie ihre Wahl getroffen und rissen mit einem einzigen Ruck die gesamte Pflanze mitsamt der Wurzel heraus, um sie ins Maul zu schieben und genüsslich zu zerkauen. Einige der älteren Weibchen hielten sich am Rande des lugga auf und gruben mit Füßen und Rüssel tiefe Löcher, in denen sich allmählich das Wasser sammelte.
»Schau, wie sie ihre Rüssel einsetzen, um Sand und Erde an den Kanten zu sammeln und seitlich anzuhäufen«, erklärte Dan. »Und wenn du genau hinsiehst, wirst du feststellen, dass der eine Stoßzahn an der Spitze abgenutzter ist als der andere. Das ist der, den sie hauptsächlich zum Graben benutzen – so wie ein Mensch entweder die rechte oder die linke Hand bevorzugt.«
Inzwischen umringte die Herde das Fahrzeug, und Sarahs Puls ging schneller. Ein junger Bulle stand ganz dicht bei ihr, und als sie langsam die Kamera hob, saugte er Wasser mit dem Rüssel auf und pustete es sich über den Rücken, um sich abzukühlen. Wassertropfen spritzten auf das Objektiv. Die Kühe und ihre Kälber drängten sich zusammen, während die Bullen sich in einiger Entfernung aufhielten. Hin und wieder näherte sich ein älterer Bulle und tätschelte das jüngste Mitglied der Herde sanft mit dem Rüssel. Er wirkte wie ein alter Mann, der einem Kind seinen Segen gibt.
»Das ist Samson«, flüsterte Allie. »Der große Bwana . Bis jetzt hat noch keiner der jungen Bullen gewagt, ihm die Vormachtstellung streitig zu machen. Er ist sehr stark. Aber erst wenn sie ihn zum Kampf herausgefordert haben, dürfen sie so wie er an die Weibchen heran. Es ist eine matriarchalische Gesellschaft, und die Weibchen geben sich nur während der Brunstzeit mit den Männchen ab. Ansonsten bleiben die Frauen unter sich. Junge Bullen bilden eigene Gruppen, und ein mzee wird oft von zwei jüngeren askaris begleitet, die ihn im Alter versorgen. Die älteren Weibchen sind die Anführerinnen, die ihrer Herde zeigen, wo sie Nahrung und Wasser finden. Außerdem beschützen sie die Jungen. Sie gehen sehr fürsorglich und liebevoll miteinander um. Schau, wie sie sich mit ihren Rüsseln streicheln, kitzeln und trösten. Aber sie können sie auch als
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