Himmel uber Langani
war der Schlamm zu einer Kruste getrocknet. Wegen der unebenen Fahrbahn klapperten die Räder, und der Wagen geriet manchmal gefährlich ins Schlingern, doch Dan schien das nicht sehr zu kümmern. Außerdem hatte er einen ähnlichen Fahrstil wie seine Frau, sodass Sarah sich am offenen Fenster festklammern musste.
»Können Sie fahren?«, fragte Allie.
»Dad hat es mir beigebracht. Meinen Führerschein habe ich in Irland gemacht.«
»Gut. Dann werden wir für Sie einen hiesigen Führerschein beantragen«, meinte Dan. »Außerdem müssen Sie lernen, unter allen möglichen Bedingungen mit diesen alten Rostlauben zurechtzukommen. Gleich morgen fangen wir an zu üben.«
Den Großteil des Vormittags fuhren sie auf kleinen, von Gebüsch gesäumten Pfaden durch die Landschaft. Da es nirgendwo Wegweiser gab, erkundigte sich Sarah, wie man sich in einem solchen Terrain zurechtfinden könne. Sie war sicher, dass sie sich binnen zehn Minuten hoffnungslos verirrt hätte.
»Man lernt, nach gewissen Anhaltspunkten Ausschau zu halten«, erklärte Allie. »Wenn man weder die Berge noch einen großen Felsen sehen kann, orientiert man sich an einem bestimmten Baum, einem seltsam geformten Busch oder der Farbe, die die Erde an einer bestimmten Stelle hat. All das verändert sich abhängig vom jeweiligen Standort. Und dann ist da noch die Umgebung des Flusses, wo sich die Vegetation völlig von der sonstigen unterscheidet und wo die Bäume dichter und größer sind. Dazu kommt natürlich noch der Sonnenstand. Da Sie als Fotografin ein scharfes Auge haben, dürfte es Ihnen nicht schwer fallen. Am besten hören Sie zumindest am Anfang auf Erope und Julius. Die finden sich überall zurecht.«
»Sie besitzen ein instinktives Wissen, das wirklich beeindruckend ist«, fügte Dan hinzu. »Erope ist mir manchmal richtig unheimlich. Er hat nicht nur einen unbeirrbaren Orientierungssinn geerbt, sondern nimmt praktisch alles wahr und speichert es sozusagen in seinem Gedächtnis ab. Einen solchen Fährtenleser findet man kein zweites Mal.«
» Kifaru [59] , Bwana , ein großes Weibchen und ein Junges«, verkündete Erope aus dem hinteren Teil des Wagens.
Sarah konnte in dem dichten Gebüsch ringsherum nichts entdecken. Dan fuhr Schrittgeschwindigkeit und beugte sich aus dem Fenster. Eine Reihe von Spuren führte ins Gestrüpp. Anhand von Größe und Tiefe der Abdrücke im sandigen Boden ließ sich das Gewicht der Tiere abschätzen.
»Letzte Nacht hat es stark geregnet, aber diese Spuren sind frisch. Seht ihr, wie der Boden hier ausgetrocknet ist? Außerdem wären die Abdrücke viel tiefer, wenn sie auf weichem schlammigem Boden entstanden wären. Das Kleine ist noch sehr jung. Sein Fuß ist noch nicht richtig ausgebildet und zudem sehr klein. Der Abdruck ist viel flacher als der seiner Mutter. Junge, Junge! Die muss ein richtiger Koloss von einem Nashorn sein. Bestimmt sind sie ganz in der Nähe.«
Sie fuhren ein Stück rückwärts, um bessere Sicht zu haben. Sarah beobachtete alles mit klopfendem Herzen und fragte sich, was Dan wohl tun würde, wenn das riesige Urzeitgeschöpf plötzlich aus dem Gebüsch gestürmt kam. Im nächsten Moment hörten sie, wie Äste unter dem Gewicht des Nashornweibchens knackten und splitterten, als sich das Tier einen Weg durch das Dornengebüsch bahnte. Kurz darauf stand es, dicht gefolgt von seinem Jungen, vor ihnen auf dem Pfad, beäugte die Besucher mit gesenktem Kopf und schnaubte dabei wie ein Expresszug.
»Oho, wir sollten uns besser aus dem Staub machen. Ich glaube nicht, dass diese Begegnung freundschaftlich verlaufen wird.« Dan gab Gas und raste in Höchstgeschwindigkeit davon.
Das Rhinozeros zögerte, warf den gewaltigen Schädel hin und her und hielt Ausschau nach den vermeintlichen Feinden. Dann setzte es sich in Bewegung und trottete, das Horn bedrohlich gesenkt und das Junge dicht auf den Fersen, zielstrebig hinter ihnen her. Sarah hob die Kamera, spähte durch den Sucher und konnte kaum fassen, wie ein so schweres und scheinbar unbeholfenes Tier es nur schaffte, sich derart behände zu bewegen. Inzwischen galoppierte das Rhinozerosweibchen ziemlich schnell und laut schnaubend dahin und war schon so dicht an sie herangekommen, dass es mit seinem gefährlichen Horn beinahe die Stoßstange berührte. Sarah stemmte sich gegen das Wagendach und versuchte die Kamera ruhig zu halten, während sie in halsbrecherischer Geschwindigkeit über die Buckelpiste holperten. Erope gab Dan Anweisungen, in
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