Himmel uber Langani
schwaches Rinnsal oder einen reißenden Strom führten. Ihre Bewunderung für ihr exzentrisches und mutiges Arbeitgeberehepaar sowie ihre Hochachtung vor ihren Angestellten wuchsen. Bald schon fühlte sie sich, als wäre sie seit einer Ewigkeit hier. Jeder Morgen stellte sie vor Herausforderungen, wenn sie versuchte, sich sämtliche neuen Informationen bis in alle Einzelheiten einzuprägen. Es dauerte nicht lange, bis sie, nur in Begleitung von Julius oder Erope, zur Reservatsverwaltung fahren konnte, um die Post abzuholen und für die Briggs’ Telefonate zu erledigen. Bei dieser Gelegenheit rief sie auch in Langani an. Hannah war am Apparat.
»Ich bin ja so glücklich«, verkündete Sarah. »Und ich kann gar nicht sagen, wie schön es hier ist und welches Glück ich habe, hier arbeiten zu können. Du musst mich unbedingt bald besuchen, denn ich will dir eine Menge zeigen. Wie geht es den anderen? Und Piet?«
In Langani schien alles beim Alten zu sein. Piet sei irgendwo auf der Farm unterwegs, meinte Hannah, und schufte sich wie immer krumm. Über Sarahs Brief habe er sich sehr gefreut.
»Das sieht man ihm an der Nasenspitze an.« Hannah lachte auf. »Ein typischer Mann kann einfach nicht zugeben, dass er die Richtige gefunden hat, doch es steht ihm ins Gesicht geschrieben. Er redet pausenlos von dir, Sarah. Wenn ein Mensch im Gespräch immer wieder denselben Namen fallen lässt, steht fest, dass es ihn erwischt hat.«
Am liebsten wäre Sarah nach draußen gerannt und hätte ihr Glück in die Welt hinausgejubelt, doch sie nahm an, dass das einen befremdlichen Eindruck machen würde. Stattdessen blieb sie stehen und lächelte ins Telefon.
»Und was ist mit dir und Viktor?«, fragte sie. »Ich habe dir ja geschrieben, dass ich ihn kennen gelernt habe. Er ist ein guter Freund von Dan und Allie. Was seinen Charme angeht, hattest du Recht – er verströmt ihn aus sämtlichen Poren. Also, was gibt es Neues?«
Hannahs Zögern hätte ihr eine Warnung sein sollen, auch wenn sie entschieden zuversichtlich antwortete.
»Er kommt und geht. Du kennst das ja. Momentan hat er viel zu tun und nur wenig Zeit, mich zu besuchen. Das macht mir zu schaffen. Aber es ist das Warten wert, und er entschädigt mich dafür, wenn er hier ist.«
»Und Lars?«
Hannahs Seufzer sprach Bände. »Das mit Lars tut mir wirklich Leid. Ich wünschte, wir könnten Freunde sein, so wie früher. Aber alles ist anders geworden. Meine Gefühle für Viktor haben mich mitgerissen wie eine Sturmflut, und ich will, dass es immer so weitergeht. Viktor hat mein Leben verändert, und ich kann dir gar nicht sagen, was das für mich bedeutet.«
»Pass gut auf dich auf«, meinte Sarah und versuchte ihre Besorgnis zu verbergen. So etwas konnte man nicht am Telefon besprechen.
Singend fuhr sie zurück zum Lager. Piet liebte sie. Das hatte Hannah gesagt. Er redete ständig über sie. Und sie würde ihn zu Weihnachten wiedersehen. Außerdem hatte sie eine Arbeit, die ihr unglaubliche Freude machte. Das Leben war wunderschön.
Je mehr Zeit sie mit den Elefanten verbrachte, desto näher kam sie ihnen. Dan hatte ihr Erope zur Unterstützung zugeteilt, und sie empfand ihn als klugen und geduldigen Lehrer. Er brachte ihr bei, Spuren und andere Anzeichen für die Gegenwart eines Tiers zu lesen und zu deuten und sich unbemerkt durch den Busch zu pirschen. Man musste sich gegen den Wind halten, um sich an die Tiere anzuschleichen, ohne sie zu stören. Bald gelang es ihr, Familiengruppen innerhalb der Herde auszumachen und die einzelnen Elefanten namentlich auseinander zu halten. Sie fotografierte die Tiere, notierte ihre persönlichen Eigenarten in ihrem Logbuch und veranschaulichte ihre Beobachtungen mithilfe von Skizzen und Randbemerkungen. Die Elefanten kannten den Landrover schon, und einige ließen zu, dass sich das Fahrzeug bis auf wenige Meter näherte. Immer wieder ertappte sich Sarah bei dem Wunsch, Piet könnte diese Erfahrungen mit ihr teilen, neben ihr durch den Busch wandern, auf einem Felsen über dem Fluss sitzen oder die Tiere betrachten, die sich während der Mittagshitze im Morast wälzten. Hier draußen fühlte sie sich ihm sehr nahe. Nachts, wenn sie mit ihren Aufzeichnungen fertig war, schrieb sie an ihn und schilderte alles, was sie während der langen Stunden im stickigen Busch über Elefanten erfahren hatte. Die Briefe verstaute sie ordentlich in der Schreibtischschublade.
Eines Abends saß sie mit Erope auf den Felsen und bewunderte die
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