Himmel uber Langani
weggeschickt hätte. Wenn Piet …« Seinen Namen auszusprechen war zu viel für sie, und sie verstummte.
»Wir werden Simon aufspüren.« Sarah ging vor ihr in die Knie und sah ihr in die Augen. »Wir werden immer weitersuchen und nicht aufgeben, bis wir ihn haben. Richtig, Jeremy?«
»Ich habe die höchstmögliche Anzahl von Männern darauf angesetzt«, antwortete der Polizist mit finsterer Miene. »Gute und erfahrene Leute, die die Reservate und die Siedlungen abklappern und Fragen stellen. Früher oder später werden sie etwas herauskriegen.« Er stand auf und griff nach seinem Hut. Dann küsste er Hannah unbeholfen auf die Wange. »Ich melde mich. Gute Nacht.«
Nachdem er fort war, herrschte Schweigen, bis Sarah sich räusperte. »Ich habe heute Nachmittag Dan und Allie angerufen«, verkündete sie, »und sie gefragt, ob ich die Rückkehr ins Camp noch eine Weile aufschieben kann. Wollt ihr, dass ich bleibe?«
Hannah nickte. Sie hatte sich wieder in ihre Welt zurückgezogen, und Sarah machte sich zunehmend Sorgen, was nur aus ihr werden sollte, wenn Anthony abreiste und sie selbst wieder nach Buffalo Springs musste. Manchmal war der Drang, der bedrückenden Atmosphäre in diesem Haus zu entfliehen, überwältigend. In Langani sah sie Piet auf Schritt und Tritt vor sich, und jeder vertraute Gegenstand und die Umgebung, die sein Reich gewesen war, hielten die Erinnerung an ihn ständig wach. Ein Paar Stiefel, ein Buch, ein Pullover, der im Stall an einem Balken hing, seine Regenjacke am Haken hinter der Bürotür. Sie fühlte sich ihm so nah, als könnte er jeden Moment hereinkommen und sich den Hut aus der Stirn schieben. Wenn sie Menschen sprechen hörte, ertappte sie sich bei der vergeblichen Hoffnung, seine Stimme könnte plötzlich einen Gruß rufen oder einen Witz erzählen. Wenn dann die Wirklichkeit wieder über sie hereinbrach, konnte sie es kaum ertragen. In den wenigen kostbaren Sekunden, in denen es ihr gelang, seinen Tod zu vergessen, wurde sie von Hochstimmung ergriffen. Doch schon Augenblicke später senkten sich wieder bleischwer Trauer und Verzweiflung auf sie herab, sodass es ihr den Atem verschlug.
Eine gnadenlose Melancholie verfolgte sie Tag und Nacht und drohte, sie zu überwältigen, wenn sie Piets Namen aussprach oder auch nur an ihn dachte, und fast glaubte sie, an dem bedrückenden Gefühl ersticken zu müssen, das stets stärker sein würde als sie. Es wunderte sie, dass sie nicht weinen konnte, obwohl ein normaler Mensch in dieser Lage doch sicher Tränen vergossen hätte, um seine Seele zu erleichtern. Aber Hannah und sie empfanden nur eine tiefe Lähmung, und das Leben wurde zu einem stumpfen Warten darauf, dass sich irgendwann etwas ändern würde. Da Hannah sie momentan zu brauchen schien, fühlte sich Sarah verpflichtet zu bleiben. Andererseits konnte sie es sich nicht leisten, ihren Arbeitsplatz aufzugeben, und sie sehnte sich immer mehr nach der Stille im Busch, wo sie ruhig dasitzen und die immer gleichen Gewohnheiten der Elefanten in ihrer Welt beobachten konnte. Die Briggs’ hatten ihr versichert, dass sie sich mit der Rückkehr nicht zu beeilen brauche. Doch sie fand es nicht richtig, sie zu lange mit der Arbeit allein zu lassen. Als Anthony abreiste, wuchs die Anspannung noch – ganz zu schweigen davon, dass der Abschied ganz anders ausfiel, als Sarah es sich gewünscht hatte.
»Ich habe Hannah schon auf Wiedersehen gesagt«, meinte er am Morgen seiner Abfahrt. »Ihr beide könnt gern meine Wohnung in Nairobi benutzen, auch wenn ich nicht zu Hause bin. Vielleicht tut es euch ja gut, ein paar Tage in der sündigen Großstadt zu verbringen.«
»Danke«, erwiderte Sarah. »Danke für alles, Anthony.«
»Vermutlich werde ich mich in den nächsten Wochen mit George Broughton Smith treffen«, unterbrach er sie, um eine tränenreiche Abschiedszene zu vermeiden. »Ich werde das Thema Fördergelder für Langani noch einmal ansprechen. Hannah braucht das Geld jetzt dringender als je zuvor.«
»Ja. Könntest du dich auch nach Camilla erkundigen, wenn du ihn siehst? Ich habe den Eindruck, dass wir alle sie im Stich gelassen haben. Insbesondere ich. Ich hätte anrufen sollen, doch ich hatte einfach nicht die Kraft dazu. Aber ich werde mir bald einen Ruck geben. Vielleicht könntest du auch versuchen, sie ausfindig zu machen. Du weißt ja, dass du ihr einmal viel bedeutet hast.«
Anthonys Finger klopften auf die Wagentür, und seine Miene wirkte nicht sehr ermutigend. Bis
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