Himmel uber Langani
umrahmte ihre Augen mit Kajal und setzte einen gestrickten Hut auf. »Bis dahin gehe ich erst einmal ins Kino.«
»Mit dieser kindischen Einstellung schadest du dir nur selbst.« Marina seufzte. »Dein Ruf ist alles, was du besitzt, Camilla. Wenn du ihn einmal verlierst, wirst du ihn niemals zurückbekommen. Deine Straßenhändler wären nur allzu erfreut, wenn Leute wie wir sich selbst ruinieren. Ich kann nur hoffen, dass du dir diesen Unsinn aus dem Kopf schlagen wirst, wenn wir lange genug Geduld aufbringen.«
Ihre freie Zeit verbrachte Camilla mit Theater- und Kinobesuchen. Stundenlang studierte sie die Redeweise und Gestik der Schauspieler, in deren Fußstapfen sie zu treten hoffte. Gierig sog sie Kunstwerke und Musik jeglicher Art auf, nützte die kulturelle Vielfalt Londons, schlenderte durch Museen und ging zu Konzerten. Nachts tanzte sie in lauten Clubs, trank Wodka, rauchte, ließ sich durch von Marihuana vernebelte Stunden treiben und führte seltsame Gespräche in schäbigen Kellern. Die manische Energie der Stadt erfasste sie, und ihr Drang nach Veränderung zog sie rund um die Uhr in einen Strudel von Aktivitäten. Aber selbst inmitten einer Gruppe von Menschen, wo sie sehr oft alle Aufmerksamkeit auf sich zog, blieb sie eine Beobachterin, eine Außenseiterin in einer hektischen Welt, die sie nicht wirklich berührte.
Sie durchkämmten die neuen Boutiquen in der Carnaby Street und der King’s Road und kam mit hüfthohen Stiefeln, kurzen Röcken und Schlaghosen oder mit indischen Kleidungsstücken, verziert mit Perlen und Bändern, nach Hause. Es gab einige Kämpfe, als sie ihre Kaschmirpullover, Perlen und Seidenschals ausrangierte. Dabei hatte Marina gehofft, dass ihre Tochter sie für ihr Verlobungsfoto in Country Life tragen würde. In der Lucie Clayton School lernte sie, professionell Make-up aufzutragen und sich wie ein Model auf dem Laufsteg zu bewegen – eine Art Wiegeschritt, wobei man die Hüften vorschob und die Lippen zu einem Schmollmund aufwarf, was ihr nicht schwer fiel. Es hieß, ihr Gesicht und ihre Figur seien ideal für die Kamera. Man prophezeite ihr, dass sie es auf die Titelseite eines Hochglanzmagazins schaffen könne.
Zuerst lehnte Camilla diese Vorstellung ab, weil sie befürchtete, sie könnte dadurch von ihrem eigentlichen Ziel, einem Leben am Theater, abgehalten werden. Aber schließlich erklärte sie sich bereit, für einen Modefotografen Modell zu stehen, den sie in einem Nachtclub kennen gelernt hatte. Ricky Lane hatte sie von der anderen Seite des Raums aus angestarrt, war dann zu ihr herübergekommen und hatte ihr einen Drink gebracht, der mit einem Papierschirmchen und einem rauchenden Vulkan verziert war. Sie hatte bereits Fotos von ihm gesehen und mochte sein ansteckendes Lächeln und seinen Cockney-Akzent. Er versprach, die Ergebnisse ihrer Sitzung einer der führenden Modellagenturen zu zeigen, und gab sich sehr optimistisch.
»Komm schon, Süße«, meinte er grinsend. »Du wirst nicht über Nacht zu einem Star. Mit deinem Gesicht und deiner Figur kannst du dir ein bisschen Kleingeld verdienen, um die Pausen zu überstehen. Ein paar Mäuse im Sparschwein erleichtern den Weg zum Ruhm ungemein. Möglicherweise borge ich mir dann sogar hin und wieder was von dir.«
Ihr praktischer Verstand sagte ihr, dass eine Schauspielerin damit rechnen musste, zeitweilig ohne Arbeit zu sein. Ohne Engagements, wie alle es nannten. Da war es besser, als Fotomodell zu arbeiten, als in einem schäbigen Café zu bedienen. Sie war schon zum zweiten Mal in der Schauspielschule zum Vorsprechen eingeladen worden und glaubte, einen guten Eindruck hinterlassen zu haben. Bald würde sie das Aufnahmeschreiben erhalten. In der Zwischenzeit war Modeln eine brauchbare Nebentätigkeit, und es spielte keine Rolle, ob sie damit Erfolg haben würde. Trotzdem war sie nervös, als sie Rick Lanes Studio erreichte. Der Raum war kalt und hässlich und stank nach kaltem Zigarettenrauch. Sie kam sich hölzern vor, als sie in das gleißende Scheinwerferlicht und die Kamera schaute. Doch als er hinter seinem Stativ Anweisungen gab, begriff sie sofort, was er von ihr wollte. Er hatte den Plattenspieler aufgedreht, und nach und nach ließ sie sich vom Rhythmus der lauten Musik mitreißen. Lautlos sang sie den Text mit, während sie sich drehte, posierte, lächelte und schmollte und den Kopf so bewegte, dass ihr Haar wie ein Glorienschein um ihr Gesicht fiel. Sie wusste, dass er mit ihr zufrieden war, als
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