Himmel uber Langani
er mit der Kamera näher kam, sie aus verschiedenen Winkeln fotografierte und den Auslöser immer schneller betätigte. Seine Stimme wirkte immer aufgeregter.
»Meine Güte! Du bist ein Naturtalent! Ich wusste es! Wir werden großartige Sachen miteinander machen, Schätzchen – denk an meine Worte. Jetzt dreh dich zu mir. Und wieder weg von mir. Ja, das ist es, Prinzessin Camilla. Das ist es!«
Nach der Sitzung vergingen jedoch etliche Wochen, ohne dass sie etwas von ihm hörte. Als Weihnachten näher rückte, überkam sie ein schreckliches Gefühl der Einsamkeit und Depression, das sich nicht verscheuchen ließ. Sie schickte Karten und Geschenke an Hannah und Sarah und fragte sich, wann sie die beiden wiedersehen würde. Falls überhaupt jemals. Die Wochenenden verbrachte sie allein. Sie legte sich ins Bett und zog die Vorhänge zu, um das trostlose Licht nicht sehen zu müssen, das Sehnsucht nach der weiten, sonnenbeschienenen Steppe und dem warmen Meerwasser aus ihren Kindheitstagen in ihr weckte. Sie begann ihre Melancholie zu genießen und versank immer tiefer in Traurigkeit und Lethargie. Marina klopfte an ihre Zimmertür und schlug einen Einkaufsbummel oder ein gemeinsames Mittagessen vor. Ihr Vater riet ihr zu einem Wochenende in Schottland oder Paris. Aber nichts davon konnte Camilla reizen, und sie war kurz davor zu verzweifeln, als ein Anruf von Sarah kam. Betty und Ralph Mackay machten Urlaub in Irland und hatten ein Haus in den Wicklow Mountains gemietet. Ob Camilla über Weihnachten kommen wolle? Ihre Erstarrung wich einer übersprudelnden Energie. Sie stürmte zum Reisebüro und kaufte anschließend rasch weitere Geschenke ein.
»Aber wir gehen alle zu dem Ball im Dorchester. Der Tisch ist reserviert, und Silvester verbringen wir in Schottland. Bitte tu uns das nicht an, Camilla! Das ist höchst selbstsüchtig von dir und bringt uns in eine peinliche Situation.« Marina redete auf sie ein, bekam dann einen Wutanfall und brach schließlich in Tränen aus. George zog sich in sein Arbeitszimmer zurück. Doch Camilla hielt an ihrer Entscheidung fest. Sie hatte sich bereits ein Ticket nach Dublin gekauft und zählte nun die Tage.
Als das Flugzeug zur Landung ansetzte, sah sie hinunter auf das Mosaik von smaragdgrünen Feldern, das Dublins weitläufiges Stadtgebiet umgab, und genoss das Kribbeln der Vorfreude im Bauch. Sogar die plötzlich auftauchenden grauen Wolken und der sich langsam aus Kaminen kräuselnde Rauch gefielen ihr. Das Flugzeug landete rumpelnd, und sie fühlte sich wieder lebendig. Sie war selbst erstaunt über die kindliche Aufregung und die Freude, die sie durchströmte. In der Ankunftshalle erwartete Sarah sie, gehüllt in einen formlosen Wollmantel und einen langen Schal. Ihr Haar war vom feuchten Wind zerzaust. Neben ihr stand Tim, abgespannt und müde, aber mit einem strahlenden Lächeln auf dem Gesicht. Die drahtumrandete Brille rutschte ihm über die Nase, als er Camilla so fest umarmte, dass ihr beinahe die Luft wegblieb.
»Zu dünn! Guinness und Stampfkartoffeln zu jeder vollen Stunde. Anweisung des Arztes, mein Mädchen.«
»Du siehst selbst nicht gerade aus wie das blühende Leben. Ich stelle es mir schrecklich vor, sterbenskrank zu sein und dann dich zu sehen, wie du dich gleich dem leibhaftigen Sensenmann über mich beugst.«
»Das kommt davon, wenn man als Assistenzarzt für einen Hungerlohn arbeiten muss. Ich glaube, dies ist mein erstes freies Wochenende seit ungefähr hundert Jahren! Meine Güte, was hast du in deinem Koffer? Ich hätte Krafttraining machen sollen.«
Camilla schob ihre Hand unter Sarahs weiten Ärmel und drückte ihren Arm. »Du hast mir das Leben gerettet. Noch ein weiterer Tag, und ich hätte mich umgebracht. Und der Welt mein geniales Talent vorenthalten.«
»Wir haben nichts Aufregendes vor an Weihnachten. Die Besuche bei den Verwandten, die über das ganze Land verstreut sind, haben wir glücklicherweise schon hinter uns gebracht. Also ist niemand da außer uns und Tims neuer Eroberung.« Sarah senkte die Stimme, während Tim das Gepäck im Kofferraum verstaute. »Eine kleine blonde Krankenschwester, frisch geschrubbt und rosig. Sie muss in den Winternächten sehr warm und kuschelig sein, denn ich weiß nicht, was er sonst an ihr …«
»Ich mag zwar vor Entkräftung halb blind sein, aber deshalb bin ich noch nicht taub, Sarah. Wir brauchen keine Vorschau auf Deirdre.«
»Wie ich sehe, hat sie großen Eindruck auf Sarah gemacht.« Camilla
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