Himmel uber Langani
hob bedauernd die Schultern. »Ich muss mich bemühen, das wieder gutzumachen. Sobald ich zu Hause bin.«
Am Flughafen nahm Betty Mackay sie in die Arme und versuchte, dem Mädchen eine Wärme und Liebe zu vermitteln, die ihr Herz vor dem Erstarren bewahren sollte. An ihrem letzten Abend in Wicklow hatte sie Camilla vorgeschlagen, den Sekretärinnenkurs in Irland zu beenden.
»Du könntest dir mit Sarah eine Wohnung teilen. In Dublin gibt es viele Möglichkeiten für talentierte junge Leute. Vielleicht könntest du ja ein Engagement beim Abbey oder Gate Theatre bekommen. Ein Cousin von Raphael ist einer der berühmtesten Schauspieler und Regisseure in Irland. Du könntest dich bei ihm vorstellen.«
Camilla schüttelte den Kopf. »Ihr seid alle so nett zu mir, aber ich habe die Zeit in dieser langweiligen Schule schon beinahe hinter mir. Danach werde ich die Schauspielschule besuchen und meinen Weg gehen.«
»Bist du sicher, dass sie dich dort aufnehmen werden, Liebes?«, fragte Raphael. »Ich könnte dir auf jeden Fall einen Vorsprechtermin im Abbey besorgen.«
»Tausend Dank, aber ja, ich bin mir sicher. Sie haben mich schon zu einem zweiten Vorsprechen bestellt, und ich nehme Privatstunden bei jemandem, der an der Royal Academy of Dramatic Art studiert hat. Er glaubt, dass ich ganz bestimmt angenommen werde.«
Camilla bereute diese Lüge in dem Moment, in dem sie sie ausgesprochen hatte. Aber sie wollte sie beruhigen und ihnen zeigen, wie überzeugt sie von ihrer Berufung war. Und vor allem wollte sie von niemandem bemitleidet werden. Niemand sollte ihre Unsicherheit spüren. Sie umarmte Betty. »In der Zwischenzeit werde ich vielleicht durch den Fotografen, von dem ich euch erzählt habe, einen Auftrag als Model bekommen. Also werde ich es noch eine Weile in London aushalten.«
Einen Monat später bekam sie ihr Zeugnis in Schreibmaschine und Stenografie und eine beeindruckende Urkunde, die bescheinigte, dass sie die Lucie Clayton’s School für Sekretariat und Mode absolviert hatte. Als sie gerade ihr Diplom betrachtete, klingelte das Telefon.
»Hallo, Schätzchen. Hier ist Ricky. Ich war über Weihnachten und Neujahr bei einem Fototermin. Jetzt werden immer mehr Fotos direkt vor Ort geschossen – ich war in Spanien. Sonnenschein sogar an Weihnachten und verdammt viel von diesem alten Wein – vier oder fünf Liter für einen Fünfer. Ich war die Hälfte der Zeit sturzbesoffen.«
»Klingt aufregend.« Camilla gefiel der optimistische Klang seiner Stimme.
»War’s auch. Ich habe einem Kumpel von mir deine Fotos gezeigt. Er ist Agent und möchte dich sehen. Freitag um drei, wenn dir das recht ist. Ich werde mitkommen. Dich ihm vorstellen und so.«
Ihr war sofort klar, dass man sie engagieren würde. Kurz darauf erhielt sie ein Schreiben, mit dem sie sich am folgenden Nachmittag bei einem Fotostudio melden sollte. Es ging um Werbeaufnahmen für ein Shampoo, und die Firma wollte eine Naturblonde und ein neues Gesicht. Nach dem Termin hatte Camilla einen Vertrag, die Zusicherung für einen Scheck über eine ansehnliche Summe und einen weiteren Auftrag für Modeaufnahmen in der folgenden Woche. Sie strahlte, als sie die Straße entlangschwebte, angetrieben von einem neuen Gefühl der Macht. Endlich konnte ihr ihr Aussehen wirklich etwas nützen. Aufträge wie diese würden es ihr ermöglichen, eine Wohnung zu mieten oder vielleicht sogar zu kaufen, irgendwo weit weg von dem ständigen Genörgel ihrer Mutter. Wenn das Jahr zu Ende ging, würde sie Schauspielunterricht nehmen, und zu Ostern würden Sarah, Piet und Tim nach London kommen. Wenn sie jetzt zu suchen begann, würde sie dann schon ihre eigene Wohnung haben und alle aufnehmen können. Sie würde ihnen die Stadt zeigen, zusammen mit ihren besten Freunden ihre Lieblingsplätze aufsuchen und ihre Entdeckungen mit ihnen teilen. Endlich lag ein klarer Weg vor ihr! Sie war überglücklich.
Ihren ersten Aufträgen folgten rasch weitere, und in einem Zeitungsartikel hieß es, sie sei das schönste neue Gesicht in der Londoner Szene. Seit diesem Tag klingelte das Telefon pausenlos. Sie flog nach Paris und wurde am Eiffelturm, in Versailles, an der Rive gauche und auf Champagnerempfängen fotografiert. Was für ein Glück, dass sie fließend Französisch sprach. Es war aufregend, verwirrend und erschöpfend, und oft fühlte sie sich einsam. Als Sarah an Ostern nach London kam, war Camillas Gesicht in den Hochglanzmagazinen und auf Postern und Plakattafeln
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