Himmel uber Langani
Pferd an, und sie preschten in wildem Galopp über die karge Ebene. Hier und da erhoben sich Ameisenhügel aus dem Gras. Eine Herde Thomson-Gazellen wedelte beim Herannahen der Pferde nervös mit dem Schwanz, jagte über das Buschland davon und verschwand in der flimmernden Hitze. Aus dem hohen Gras tauchte ein Straußenmännchen tauchte auf und lief vor ihnen her. Seine schwarzen Federn glänzten in der Sonne, und er befand sich so nah vor Sarah, dass sie seine Wimpern und die Stoppeln an seinem blassen Hals erkennen konnte, bevor er ins Unterholz floh. Sie ritt ebenso schnell wie Piet. Es bereitete ihr keine Schwierigkeiten, mit ihm Schritt zu halten. Das Donnern der Hufe und der Geruch der roten Erde und der wilden Gräser berauschten sie. Sie ließen Hannah und Camilla zurück und sausten über die Ebene, bis sie schließlich in einer Staubwolke am Rand eines Wäldchens zum Stehen kamen. Piet beugte sich vor und packte die Zügel von Sarahs Pferd. Dann schob er den Hut zurück und sah sie an, atemlos und in die Nachmittagssonne lächelnd. Seine Bewunderung war offensichtlich.
»Guter Ritt, Mädchen. Nicht wie meine Schwester oder Lady Camilla. Die schlafen auf ihren Pferden beinahe ein. Du bist eine gute Reiterin, das steht fest.«
»Wir reiten immer mit Hannah aus, wenn wir das Wochenende hier verbringen.« Sarah konnte ihre Freude über seine Bemerkung nicht verbergen. »Aber mit dir macht es mehr Spaß. Wenn uns der Stallbursche begleitet, dürfen wir keinen solchen Galopp hinlegen. Und dein Vater lässt uns nicht allein ausreiten.«
»Pa ist für euch verantwortlich, wenn ihr euch nicht unter den Fittichen der Nonnen befindet. Er kann euch nicht allein auf dem bundu [11] herumrasen lassen. Außerdem ist Kipchoge ein guter Mann für einen Ausritt.«
»Ja, aber trotzdem ist es ohne ihn schöner.« Sarah warf ihm einen Seitenblick zu, in der Hoffnung, ein weiteres Lächeln zu erhaschen.
»Wir sind schon miteinander ausgeritten, als wir noch totos waren. Sein Vater war Pas erster Stallknecht. Früher ritt er für Lord Delamere die Pferde zu und trainierte sie, aber nach den Rennen betrank er sich regelmäßig. Als man ihn feuerte, kam er nach Hause, saß herum und sah zu, wie seine Frauen auf seiner shamba die Arbeit erledigten. Jetzt herrscht er wie ein Despot über die Stallungen, aber eigentlich kümmert sich vor allem sein ältester Sohn Kipchoge um die Pferde.«
»Und meint er, dass er nach der Unabhängigkeit einen eigenen Stall besitzen wird?«, fragte Sarah. »Die neuen Politiker erzählen den Leuten offenbar, dass sie alles kriegen können, was die Weißen besitzen, sobald die Briten das Land verlassen haben.«
»Ich glaube nicht, dass Kipchoge viel von den Politikern hält. Die meisten sind Kikuyu. Er ist ein Nandi, und zwischen den Stämmen herrscht ohnehin ein tief verwurzeltes Misstrauen. Meiner Meinung nach wird es hier mehr Probleme zwischen den Stämmen als zwischen den verschiedenen Rassen geben. Die Weißen werden den Schwarzen nur langsam Macht und Eigentum überlassen. Kipchoge und ich sind zusammen aufgewachsen, er ist beinahe wie ein Bruder für mich. In unserer Generation werden Schwarze und Weiße zusammenarbeiten, um ein neues Land zu erschaffen.«
»Und was hält dein Vater von dieser Idee?«, fragte Sarah listig.
»Pa hat altmodische Ideen, aber ein gutes Herz«, erwiderte Piet lächelnd. »Er hat immer nur Afrikaner kennen gelernt, die keine Ausbildung und kein Interesse an der Bewirtschaftung einer Farm hatten. Allerdings glaube ich, dass er insgeheim optimistisch ist, trotz seiner düsteren Vorhersagen.« Er drehte sich im Sattel um und fuhr mit dem Arm durch die Luft. »Hier ist die Grenze unseres kleinen Besitzes. Wenn du möchtest, können wir morgen wieder ausreiten, nur wir beide, am frühen Morgen, bevor meine Schwester und Lady Camilla aus den Federn kommen. Lass uns zum Fluss hinunterreiten und die Pferde tränken.«
Piet führte sie vorbei an Dornenbäumen, in deren Zweigen runde Nester von Webervögeln schaukelten. Sarah, die neben ihm ritt, befand sich in einem tranceartigen Glückszustand. Sie betrachtete die goldenen Haare auf seinen Unterarmen, lauschte dem breiten Tonfall seiner von Afrikaans gefärbten Stimme und fand es wunderschön, wie sie sich mit dem leisen Wiehern der Pferde, dem Knarren des Sattelleders und dem Zirpen der Heuschrecken vermischte. Unter der Krone eines Dornenbaums stiegen sie von den Pferden. Piet holte ein Päckchen aus seiner
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