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Himmel über Darjeeling

Himmel über Darjeeling

Titel: Himmel über Darjeeling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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würde er eines Tages wieder nach England zurückkehren, voller Genugtuung die neidischen Blicke seiner ehemaligen Mitschüler auf sich spüren, die ihn, der von den Almosen der Schulleitung für besonders begabte Schüler abhängig war, verhöhnt und verlacht hatten. Er würde stolz seiner Familie gegenübertreten, für die er immer nur der unwichtige jüngere Sohn gewesen war. Die Heirat mit Edwina würde ihn mit einer der ältesten Offiziersfamilien des Landes verbinden und den Weg für seinen weiteren Aufstieg ebnen. Er wusste, dass er sich hier bewähren musste – seine gesamte Zukunft hing von Erfolg oder Misserfolg dieser Mission ab. Er durfte sich keinen Fehler erlauben.
    Ein energisches Klopfen ließ ihn herumfahren. In königsblauer Jacke und weißen Jodhpurs, mit smaragdgrünem Turban, verbeugte sich der Haushofmeister knapp.
    »Ihre Hoheit, der erhabene Raja, lässt zum durbar bitten.«
    Winstons Herz schlug ihm bis zum Hals, als er neben dem Haushofmeister die Gänge entlangeilte, in so großen Schritten, dass er Acht geben musste, diesen nicht zu überholen, Bábú Sa’íd wie einen Schatten hinter sich. Scheinbar endlos schien ihm der Weg zum Thronsaal, irgendwo im Herzen des Palastes. Winston war blind für die Schnitzereien und Einlegearbeiten, die kostbaren Stoffe, die Statuen und Teppiche, an denen er vorbeiflog; Gedankenfetzen stoben durch seinen Kopf, und sein ganzes Sein war auf die Unterredung mit dem Herrscher ausgerichtet.
    Es hatte nie einen Schlachtplan für die Eroberung und Kolonialisierung Indiens gegeben. Eher beiläufig, Stück für Stück, war das Land den Engländern zugefallen, in den zahllosen kleinen Kriegen und Scharmützeln der letzten Dekaden. Ein abtrünniger Raja, der sich seinen Vertragsverpflichtungen entziehen wollte, ein Vasallenstaat, der von seinen Nachbarn bedroht wurde, Übergriffe auf britisches Territorium oder ein säbelrasselnder Grenznachbar boten genug Rechtfertigung für einen Krieg, und nach den siegreichen Kämpfen fand sich die Companymit zusätzlichen Gebieten, Verantwortlichkeiten und Einkünften wieder. Verwurzelt im Glauben an die göttliche Vorsehung, die England zur führenden Weltmacht bestimmte, geleitet durch die unerschütterliche Gewissheit des Überlegenseins der weißen Rasse, mussten die noch an ihren barbarischen Bräuchen und primitiveren Lebensformen festhaltenden indischen Völker quasi wie Kinder an die Hand genommen, ihnen die Segnungen der englischen Zivilisation – technischer Fortschritt, Kultur, Moral und nicht zuletzt das Christentum – zuteil werden: Das war die »Last des weißen Mannes«, die er schicksalsergeben auf sich nahm. Nicht zuletzt sollte die Herrschaft Englands Indien, dem Vielvölkerstaat, dem Kaleidoskop an Sprachen und Religionen, nach Jahrhunderten innerer und äußerer Kämpfe endlich den Frieden bringen. Und für dauerhaften Frieden schien es nur eine Lösung zu geben: das gesamte Gebiet des Subkontinentes unter britische Herrschaft zu bringen, unter der Krone zu einen. Rule, Britannia – Pax Britannica . Jeder Zoll an Macht, der nicht in den Händen Englands lag, barg die Gefahr eines Krieges oder Aufstands, bedrohte die Souveränität innerhalb des Landes, schwächte seine Verteidigung an den Grenzen.
    Und so war Winston von Kalkutta aus in das ferne Rajputana entsandt worden, um einen der mächtigsten Fürsten dazu zu bewegen, sein ausgedehntes Territorium unter den Schutz und die Kontrolle der Krone zu stellen. Eine heikle Mission, denn bislang hatte dieser sich sowohl gegenüber Schmeicheleien als auch Drohungen seitens der Engländer taub gestellt oder sich listenreich um eine Antwort herumgeschlängelt. Und allmählich begann Winston zu ahnen, wie schwierig die ihm gestellte Aufgabe tatsächlich sein würde.
    Zwei Rajputenkrieger mit langen Schwertern und Pistolen in ihren Halftern öffneten die beiden massiven, goldbeschlagenen Türflügel am Ende der marmorgefliesten Halle, in die der Haushofmeister Winston und Bábú Sa’íd geführt hatte. Ein roter Läufer begann hinter der Schwelle, und auf ein Nicken des Haushofmeisters trat Winston ein. Bábú Sa’íd wollte ihm seiner jahrelangen Gewohnheit nach folgen, wurde aber mit einem knappen, warnenden Befehl des Haushofmeisters zurückgehalten. Nun gut, ich soll alleine in die Höhle des Löwen, dachte Winston und nickte seinem sepoy vertrauensvoll zu.
    Hallend fielen die Türflügel hinter ihm ins Schloss.
    Im ersten Augenblick war er geblendet vom

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