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Himmel über Darjeeling

Himmel über Darjeeling

Titel: Himmel über Darjeeling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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seines Körpers, dass sie glaubte, vor Verlangen wie vor brennender Wut vergehen zu müssen. Mein, mein, hallten seine Worte in ihr wider, verzerrten sich zum heiseren Krächzen eines Raben, mein, mein, mein …
    »Nein«, hörte sie sich selbst, leise und heiser, dann lauter. »Nein, niemals !« Blanker Zorn schoss in ihr empor, gab ihr Kraft, ließ sie mit aller Wucht zuschlagen, zutreten, ihn von sich stoßen, in dem Gefühl, zu ersticken, um ihr Leben, ihre Seele zu kämpfen. Sie taumelte, fiel, traf hart auf den Boden, doch sie war frei, raffte hastig die Reste ihres Saris zusammen, stolperte zur Tür, riss sie auf.
    »Wohin willst du?«, bohrte sich Ians Stimme in ihren Rücken, fremd, metallisch schwingend.
    »Das ist mir gleich«, hörte sie sich selbst wie aus weiter Ferne, unter Tränen, schluchzend, »nur fort, fort von dir!«
    Stolpernd floh sie über den Gang in ihr Zimmer. In aller Panik, aller Verwirrung war ein Teil von ihr kühl und klar, blieb erschreckend ruhig. Als sei sie jeden Handgriff ihrer Flucht tausendmal zuvor im Geiste durchgegangen, drehte sie mit zitternden Händen die Dochte der Lampen höher, scheuchte Yasmina aus dem Schlaf, sie solle ihr beim Packen helfen, kleidete sich in Hemd und Reiterhosen, griff nach den nötigsten Dingen.
    »Was ist geschehen?«
    Ohne dass sie und Yasmina ihn gehört hatten, stand Mohan Tajid in der Tür, makellos in seinem hellen Anzug und dem scharlachroten Turban, ruhig und ernst, und ließ mit seiner Gegenwart die Hektik im Raum sich in nichts auflösen. Helena sah ihn an, über den Berg aus Kleidungsstücken gebeugt, der auf dem Bett ausgebreitet lag. Einen flüchtigen Moment schoss ihr durch den Kopf, wie sie wohl aussehen musste, verweint, ihr Gesicht gerötet und geschwollen, das Haar wirr, doch es kümmerte sie nicht.
    »Ich packe«, sagte sie nüchtern und fuhr fort, die einfachsten Kleidungsstücke aus dem Wirbel farbenfroher Seiden und bestickter Musseline herauszusuchen.
    Mohan Tajid nickte bedächtig.
    »Ich nehme an, Sie werden einen guten Grund dafür haben.« Leise schloss er die Tür und kam weiter ins Zimmer, sah den beiden Frauen zu. »Wohin werden Sie gehen?«
    »Nach Darjeeling; dort werde ich sicher fürs Erste ein Zimmer finden.«
    »Und Jason?«
    Helena erstarrte und schluckte. Ihr wunder Punkt. Doch es musste sein – sie konnte nicht bleiben, auch nicht um Jasons willen. Sie biss die Zähne zusammen und schob entschlossen ihr Kinn vor.
    »Hole ich morgen aus der Schule.«
    Wieder nickte Mohan Tajid.
    »Ich werde Sie nicht zum Bleiben überreden, da Sie das so offensichtlich nicht wollen. Wahrscheinlich sogar zu Recht«, seufzte er. »Ich möchte Sie nur um etwas bitten.«
    »Und was wäre das?« Helena bereute ihren schnippischen Tonfall sogleich. Doch Mohan lächelte nur, ein kleines, warmes Lächeln, kaum mehr als ein aufglimmender Funke in seinen Augen.
    »Um ein paar Stunden Ihrer Zeit. Ich will Ihnen eine Geschichte erzählen.«
    »Eine Geschichte ?« Helena sah ihn verständnislos an. Mohan nickte.
    »Ich glaube, es spielt nicht wirklich eine Rolle, ob Sie gleich oder etwas später aufbrechen. Wenn Sie gehen wollen, dann werden Sie das auch noch in drei oder vier Stunden tun. Ich bitte Sie um nichts weiter – nur um ein paar Stunden.« Er bemerkte Helenas skeptischen Blick und hob in einer entwaffnenden Geste die Hände. »Keine Tricks! Nur eine Geschichte. Und eine Tasse Tee …«
    Helena rang mit sich: Doch schließlich gewann ihr Vertrauen in Mohan Tajid die Oberhand, und sie nickte. »Einverstanden.«
    Er drückte sie sanft auf eines der dicken Sitzkissen, ließ sich im Schneidersitz auf dem benachbarten Polster nieder, und während Yasmina ihnen frisch aufgebrühten Tee eingoss, begann er zu erzählen.



1
    Rajputana, Mai 1844
      U nbarmherzig brannte die Sonne vom gleißend hellen Himmel herab, ließ den gelblichen Boden bersten, pulverisierte seine Kruste zu Staub, verflüssigte ihn wieder in der hitzeflirrenden Luft am Horizont. Zwischen nackter Erde und Geröll staken verbrannte Grashalme und totes Gebüsch heraus; selten huschte der Schatten einer Echse durch die Dürre, schlängelte sich im Zickzack vorbei, ehe sie unter losen Steinen Zuflucht vor der Glut fand.
    Dumpf hallten die Hufe zweier Pferde über die Ebene, knirschten auf Schotter und Sand, immer wieder stolpernd aus dem Tritt geratend, denn die Tiere waren müde, obschon sie erst wenige Stunden unterwegs waren.
    »Aiiiii« , zeterte der ältere der

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