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Himmel über Darjeeling

Himmel über Darjeeling

Titel: Himmel über Darjeeling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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Raum, blieb stehen, atmete tief durch, als kostete es ihn ungeheure Überwindung, die folgenden Worte zu sagen: »Ich – ich möchte dich noch um etwas bitten, Mohan.« Er sah seinen Onkel an, mit einem Ausdruck von Verzweiflung und Entschlossenheit, als er leise hinzusetzte: »Hilf mir, Winston zu finden.«

21
      H arte Monate und Jahre folgten. Es war von Menschenhand unberührtes Land, das Ian gekauft hatte, überwuchert von einem jahrhundertealten Dschungel, bewohnt von wilden Tieren, die sich in ihrem angestammten Lebensraum empfindlich gestört fühlten. Mehr als einmal versuchte sich ein Tiger, zornig über die Eindringlinge in seinem Revier, an einem der Arbeiter schadlos zu halten.
    Die alten Bäume mussten geschlagen und von kräftigen Rössern davongezogen werden. Das Dickicht wurde niedergemacht, der Boden gesäubert und untergepflügt. Es war eine schweißtreibende, eine gefährliche Arbeit, aber Mohan hatte Ian noch nie so glücklich erlebt, seit die Krieger des Rajas sie aus dem Kangratal vertrieben hatten. Er genoss es sichtlich, selbst Hand anzulegen, Seite an Seite mit den Männern, die er angeworben hatte, den Urwald Stück für Stück zu roden, zu sehen, wie der Garten, den er so lange vor seinem inneren Auge vor sich gesehen hatte, nach und nach reale Gestalt annahm, und Mohan verstand, dass Ian sich damit einen Lebenstraum erschuf.
    Es waren viele Arbeiter, die Ian beschäftigte. So viele, dass er sich bei den anderen Engländern, die ebenfalls dabei waren, Parzellen zu roden, sich ihre eigenen Teegärten aufzubauen, unbeliebt machte, indem er ihnen die besten Männer vor der Nase wegschnappte – weil er es sich leisten konnte, sie besser zu bezahlen. Mohan runzelte manchmal die Stirn, wenn er in den Büchern die Summen grob überschlug, die in den Aufbau der Plantage flossen. Aber er schwieg, denn es war Ians Geld, das Geld, das er von seinem Großvater geerbt hatte, das Gold und Silber, welches jahrzehnte-, vielleicht jahrhundertelang in den Kellern von Surya Mahal geschlummert hatte.
    Doch die Ausgaben machten sich bezahlt: Früher als geplant zeigten die ersten Hänge von Shikhara das samtige Braun frischen, leeren Bodens. Und unweit jener Stelle, an der später die Manufaktur errichtet werden sollte, wurde ein Anzuchtgarten angelegt. Mohan sah zu, wie Ian die Samen, die er aus China hatte kommen lassen – wie Mohan vermutete, auf nicht ganz legalem Wege; zumindest hatte der Reiter, der von Norden aus dem Gebirge gekommen war und Ian die kleinen Stoffsäckchen gegen eine hohe Summe übergeben hatte, keinen sonderlich offiziellen Eindruck gemacht –, in ein Wasserbecken schüttete. Die Samen, die an der Wasseroberfläche schwammen, wurden abgeschöpft und weggeworfen; diejenigen, die sich am Boden versammelten, wurden in absoluter Dunkelheit zwischen feuchten Säcken zum Keimen gebracht. Nach sechs Wochen hatten sich fragile Triebe gebildet, die Ian in besonders sorgfältig aufbereiteten Boden pflanzte und mit einem schützenden Dach aus Astwerk und Stroh versah.
    Den ungelernten Hilfskräften für die Urbarmachung des Landes, den Bauern und Gärtnern für die Pflege der jungen Teepflanzen im großflächigen Anzuchtgarten folgten Maurer, Zimmerleute, Schreiner, die Ian aus den Ebenen Indiens kommen ließ. Sie bauten, zum Teil mit dem Holz der gefällten alten Bäume des Waldes, das große Haus, das Ian sich in Kalkutta hatte entwerfen lassen und das die einfache Blockhütte ersetzte, die Ian und Mohan anfangs miteinander geteilt hatten. Mehrfach reiste Ian nach Kalkutta, um sich Möbel und andere Einrichtungsgegenstände anzusehen oder nach seinen Wünschen dort anfertigen zu lassen, ließ sie den ganzen Weg nach Shikhara hinauf liefern, sowie das eine oder andere Stück von Surya Mahal oder aus Jaipur.
    Zwei Jahre dauerte es, bis das Haus so war, wie Ian es sich vorgestellt hatte, bis der Garten angelegt, die Stallungen errichtet waren, die Koppel für die Pferde eingezäunt, die er bei seiner letzten Reise von Surya Mahal mitgebracht hatte. In diesen zwei Jahren waren aus den Trieben im Anzuchtgarten stämmige Pflanzen in der Höhe von etwas über einem Yard geworden, die in die Felder ausgepflanzt wurden, eintausendfünfhundert Pflanzen auf einen Morgen Land. Ein großer Teil des Anzuchtgartens wurde eingeebnet und die Manufaktur gebaut, in der die Teeblätter später verarbeitet werden würden. Die folgenden drei Jahre gab es nun nichts weiter zu tun als zuzusehen, wie die

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