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Himmel über Darjeeling

Himmel über Darjeeling

Titel: Himmel über Darjeeling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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selbst eine mythische Herkunft von Sonne und Mond zu.
    Ab dem ersten Jahrtausend fielen immer wieder muslimische Herrscher von Norden her ein und griffen gierig nach den Reichtümern Indiens, wie Mahmud von Gazna, der auf einem einzigen Raubzug sechseinhalb Tonnen Gold erbeutete. Um 1200 entstand das Sultanat von Delhi, und das muslimische Reich dehnte sich die folgenden dreihundert Jahre lang weiter aus, von Bombay bis an die Ausläufer des Himalaya, vom Indus bis an das Gangesdelta. Doch Rajputana blieb standhaft: Dreihundertfünfzig Jahre lang lagen das Sultanat von Delhi und die Rajputenherrscher miteinander im Krieg, lieferten sich blutige Schlachten mit hohen Verlusten, ohne dass eine der beiden Seiten einen entscheidenden Sieg erringen konnte.
    Legenden entstanden, beim Schein der Feuer ausgeschmückt und weitergegeben, wie die der Festung von Chittor, die zum Symbol für die Ehre und Unbesiegbarkeit der Rajputen über den Tod hinaus wurde. Es war im Jahre 1303, als Al-du-Din-Kahlji, der Sultan von Delhi, die Festung mit einer militärischen Übermacht belagerte, doch er sollte seinen Triumph nicht bekommen. In ihre Hochzeitssaris gehüllt, mit all ihrem Schmuck behängt, bestiegen die Frauen von Chittor mit ihren Kindern unter dem Gesang der alten Hymnen den Scheiterhaufen, der im Gewölbe der Festung errichtet worden war, und übergaben sich im jauhar den Flammen. Mit ausdruckslosen Gesichtern sahen ihre Männer zu, ehe sie sich in ihre safranfarbenen Gewänder hüllten, ihre Stirnen mit der heiligen Asche ihrer Familien bestrichen, die Tore der Festung aufrissen und den Berg hinab in die feindlichen Reihen stürmten, ihrem sicheren Tod dort entgegen.
    Mit Zahiruddin Mohammad Babur, dem Nachfahren von Djingis Khan und Tamerlan dem Großen, der Anfang des sechzehnten Jahrhunderts das Heer des Sultans von Delhi besiegte, begann die Herrschaft der Moguln, doch auch diese brachte Rajputana keinen Frieden. Und es war Babur selbst, dem die Worte zugeschrieben wurden: »Die Rajputen verstehen zwar im Kampf zu sterben, aber sie verstehen es nicht, eine Schlacht zu gewinnen.« Dennoch widerstanden die Fürstentümer tapfer dem Ansturm der Moguln, wenn sie dafür auch einen hohen Blutzoll errichteten. Generation um Generation von Rajputen opferten so ihre Macht, ihre Ländereien und ihr Leben, um ihre Freiheit und ihren Glauben gegen die Macht der Muslime zu verteidigen.
    Nach dem Tod des Mogulkaisers Aurangzeb begann die Macht der Moguln zu bröckeln, und mit ihr die der Rajputen, die im Streben über die Herrschaft übereinander herfielen wie kampflustige Tiger. Mohan berichtete von Intrigen, Verrat, Verschwörung und Giftmord zwischen und innerhalb der Clans. Die Marathen aus dem Süden und der Maharaja von Gwalior im Osten nutzten die Stunde der Zwistigkeiten, fielen in die Fürstentümer ein, plünderten sie und verpflichteten sie zu hohen Tributzahlungen, und manch ein Fürst verlor so die letzten Rubine und Smaragde aus seinen Schatzkammern.
    Das Land zerfiel in den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Moguln und Maharajas, Rajputen und Marathen, und wie Eisenspäne um die beiden Pole eines Magneten zogen sich die verfeindeten Parteien um die Briten und Franzosen zusammen, die ihren alten Streit um die Vormachtstellung auf dem Globus nun auf dem Subkontinent austrugen, in dem die Briten im 18. Jahrhundert schließlich die Oberhand gewannen.
    In ihrer Bedrängnis ersuchten die Rajputen die militärisch überlegenen Engländer um Hilfe. Mehrere Fürstentümer schlossen Verträge mit den Engländern, die ihnen Schutz gegen die Zahlung von Steuern boten; oft genug war aber auch eine Intervention der Kolonialherren in die inneren Angelegenheiten der Rajputenstaaten der Preis dafür. In diese Zeit fielen das Verbot des sati und dasjenige der Tötung von neugeborenen Töchtern, um die spätere Zahlung einer hohen Mitgift zu vermeiden, die Verbrennung von Frauen, die der Zauberei verdächtig waren, und die Abschaffung der Leibeigenschaft. Die Abhängigkeit einiger der Fürstentümer machte sich im Aufstand der indischen Bevölkerung im Jahre des Herrn 1857 bezahlt, jener blutigen Zäsur in der Geschichte des britischen Empires, in der die Rajputen sich mit den Briten solidarisierten oder zumindest Neutralität wahrten.
    Doch so zersplittert Rajputana von jeher war, so uneinheitlich war auch seine Stellung innerhalb Kolonialindiens. Einige Fürstentümer stellten sich mehr oder weniger offen gegen die englische

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