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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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George; seine Empörung war gerecht, und sie wäre ohne Zögern bereit gewesen, sich an seine Seite zu stellen.
    Sie schob die Blätter wieder zusammen, achtete darauf, dass die Seitennummerierung nicht durcheinandergeriet, und legte die Bleistifte daneben. Sie würde nachher mit ihm darüber sprechen, ihn herausfordern, fragen, sich von seinen Gedanken führen lassen, ihm folgen und zugleich dagegenhalten. Er war doch nicht allein mit seinen Überzeugungen. Wenn es ihm gelang, dieses Buch zu Ende zu schreiben und zu veröffentlichen, würde er Gleichgesinnte finden und womöglich viel bewegen können. Ja, er musste schreiben, und sie würde ihn dabei nach Kräften unterstützen.
    Sie hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war; sicher war nur, dass sie es im Haus nicht mehr lange aushielt. Sie würde zum Meer hinuntergehen, langsam auf die Klinik zuhalten und falls sie zu früh dran war, irgendwo am Strand auf ihn warten.
    Als sie die Zimmertür öffnete, eilte ihr Jim entgegen, der offensichtlich den Auftrag hatte, sie zur Klinik zu begleiten.
    » M’se auf keinen Fall zu weit laufen«, mahnte er besorgt, als sie erklärte, ohne ihn gehen zu wollen. » Nur hier, wo Europäer wohnen. Nicht an andere Orte. Besser ist, Jim geht mit, nicht gut, wenn weiße m’se allein ist…«
    » Ich gehe nur bis zur Klinik, Jim. Dort werde ich daktari Johanssen treffen, dann bin ich nicht mehr allein!«
    » Besser, Jim geht mit…«
    Sie lächelte über sein betroffenes Gesicht und wollte schon an ihm vorüber zur Treppe laufen, als er einen Vorhang beiseiteschob und sie einen kurzen Blick in Georges Wohnzimmer werfen konnte. Vorhin, als er ihr den Raum gezeigt hatte, war niemand dort gewesen; jetzt aber erblickte sie eine junge Frau. Sie hatte in einem der geflochtenen Sessel gesessen und stand auf, um mit Jim einige Worte in einer fremden Sprache zu wechseln. Charlotte blieb stehen, weniger aus Überraschung, sondern eher deshalb, weil der Anblick sie faszinierte. Die Frau musste abessinische Wurzeln haben, doch war ihre Haut heller als die der Abessinierinnen, ihr Gesicht ebenmäßig und auch nach europäischen Vorstellungen schön. Sie war groß gewachsen, und der weite, rot gemusterte Rock ließ ihre Taille ungemein schmal erscheinen. Das prächtige, schwarze Haar war nicht kraus, sondern gewellt und fiel ihr weit über die Schultern, ein paar schmale Zöpfchen, mit bunten Bändern und Perlen geschmückt, mischten sich unter die Locken.
    Charlotte dachte daran, dass George ihr von mehreren Bediensteten erzählt hatte, und nickte der Frau freundlich zu, bevor sie die Treppe hinabging.
    Unten empfing sie die Hitze des Spätnachmittags, so dass sie rasch ihren Strohhut aufsetzte und die Bänder fest unter dem Kinn verknotete. Sie hatte es eilig, zum Meer zu gelangen, wo hoffentlich eine kühlere Brise wehte, während sich hier zwischen den Häusern die Sonne fing und kaum ein Lüftchen zu spüren war. Auf Straßen und Wegen sah sie vor allem schwarze Bedienstete, aber auch einige Europäer, vermutlich Beamte oder Händler, die sie höflich grüßten und ihr neugierige Blicke nachschickten.
    Das Meer war sanft und klar, kleine Dhaus waren darauf verstreut wie weiße Schmetterlinge, die sich mit gefalteten Flügeln auf der saphirblauen Oberfläche niedergelassen hatten. Mit leisem Plätschern schoben sich die Wellen auf den Strand und glitten sacht wieder zurück. An manchen Stellen lagen braune, mit Muscheln besetzte Algen, die bewiesen, dass der Ozean auch weniger friedlich gestimmt sein konnte. Charlotte ging dicht am Rand der Wellen entlang, und schließlich konnte sie der Versuchung nicht widerstehen, wenigstens die Schuhe abzustreifen, um mit den Füßen den feuchten Sand und das kühle Wasser zu spüren. Es war ein wundervolles Gefühl, das sie an Kindheitstage erinnerte, die sie längst vergessen geglaubt hatte. Die Zeit, als ihre Eltern und der kleine Jonny noch lebten und man irgendwo– wo war das nur gewesen?– an einem Strand herumtollte, sich mit Wasser bespritzte und mit den Füßen im weichen, matschigen Schlick versank. Nach einer Weile erblickte sie das weiße Gebäude der Klinik mit den beiden Treppentürmen, das tatsächlich dicht am Meeresufer gebaut war, nur von einer niedrigen Mauer vor den Wellen geschützt. Charlotte beschloss, sich zwischen einigen jungen Kokospalmen niederzulassen, um auf George zu warten.
    Sie stellte die Schuhe neben sich in den Sand, da sie zu träge war, sie wieder anzuziehen,

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