Himmel über dem Kilimandscharo
lassen!«, brüllte Dr. Meyerwald draußen. » Auf diese Leute ist kein Verlass! Ein Löwe im Lager!«
» Es war eine Löwin«, antwortete die Stimme des Unbekannten. » Und noch dazu trug sie ein Nachthemd!«
» Sie haben gerade Grund, Witze zu machen! Weshalb haben Sie die Bestie nicht erschossen? Sie haben sie doch als Erster gesehen, oder?«
» Gewiss. Aber hier zwischen den Zelten war es schwer, sie zu erwischen, ohne ein Menschenleben zu gefährden. Also habe ich nur in die Luft geschossen, um sie zu vertreiben.«
Christian hatte nach dem ersten Schrecken sein Gewehr gefasst, und war damit aus dem Zelt gelaufen. Charlotte folgte ihm besorgt, weniger wegen des Löwen– der war vermutlich längst davon– als vielmehr wegen der umherirrenden Pfeile und Gewehrkugeln. Im Lager herrschte immer noch helle Aufregung; die Frauen beeilten sich, Feuer anzuzünden, die Männer suchten im fahlen Licht des beginnenden Sonnenaufgangs nach weiteren Löwen zwischen den Zelten. Irgendwo in der Dämmerung war zorniges Schelten zu vernehmen– die Araber fielen über den unglücklichen Wächter her, der seine Aufgabe so schlecht erfüllt hatte. Besorgt hielt Charlotte Ausschau nach Christian, konnte ihn jedoch nirgendwo entdecken. Dicht vor ihr standen mehrere Männer, die sich heftig gestikulierend unterhielten; Araber, Afrikaner, dazwischen auch zwei Weiße. Einer von ihnen war unverkennbar Dr. Meyerwald, der andere trug einen Hut mit breiter Krempe und wandte ihr den Rücken zu.
» Was für eine Negerschlamperei!«, rief Meyerwald. » Ich wollte gerade draußen mein Wasser abschlagen, das hätte übel ausgehen können…«
Der Unbekannte lachte und drehte dabei den Kopf zur Seite. Sein Blick fiel auf Charlotte. Abrupt hörte er auf zu lachen und starrte sie an, dann legte er Meyerwald mit einer langsamen Bewegung die Hand auf die Schulter, schob ihn mit dieser freundschaftlichen Geste beiseite und ging auf Charlotte zu.
» Frau Ohlsen! Was für ein unerwartetes Wiedersehen.«
Sie hatte keine Ahnung, wer dieser bärtige Mensch war, der sie anstrahlte und ihre Hand so fest drückte, dass sie fast aufgeschrien hätte.
» Erinnern Sie sich denn nicht?«, rief er. » Wir waren Reisegefährten auf der Bundesrath. Ich besaß die Frechheit, ihre Schwester vom Dampfer herunter ins Boot zu tragen…«
» Natürlich… Wie dumm von mir. Es muss an diesem Bart liegen, dass ich Sie nicht sofort erkannt habe. Herr von… von… Nun, jedenfalls kamen Sie aus Brandenburg.«
» Max von Roden. Zu Ihren Diensten, gnädige Frau.«
Er schien enttäuscht zu sein, dass sie seinen Namen vergessen hatte, deutete aber eine Verbeugung an und strich sich dann mit der Hand über den kurzen, blonden Bewuchs an Kinn und Wangen.
» Sie waren es wohl, der die Löwin von meinem Zelt vertrieben hat«, fuhr sie eifrig fort, um ihre Unhöflichkeit wiedergutzumachen. » Ich muss mich bei Ihnen bedanken, Herr von Roden. Was für ein Glück, dass Sie zufällig ins Lager kamen…«
Sie erkannte sein Lächeln wieder. Unbefangen und voller Selbstvertrauen, ohne aufdringlich zu wirken, dieses Mal war auch ein wenig Stolz dabei. » Nun– ganz so zufällig bin ich nicht hier«, gestand er. » Gestern erzählte mir einer meiner Botengänger, er habe in Masinde eine Karawane gesehen, mit der einige Europäer reisten. Da bin ich noch in der Nacht losgeritten…«
Richtig, er war ein Mensch der raschen Entschlüsse, das hatte er schon damals bewiesen, als er Klara ganz einfach ins Boot getragen hatte. Weshalb er allerdings mitten in der Nacht aufgebrochen war, nur um einige Europäer zu begrüßen, konnte sie nicht so recht begreifen.
» Die Karawanen halten sich in Moshi meist mehrere Tage auf, um mit den Dschagga Verhandlungen aufzunehmen«, fuhr er lebhaft fort und sah sich nach Dr. Meyerwald um. » Ich würde mich unendlich freuen, Sie während dieser Zeit als meine Gäste empfangen zu dürfen. Meine Plantage ist nur etwa zehn Meilen von Moshi entfernt. Schlagen Sie es mir bitte nicht ab– ich habe so selten Gelegenheit, Landsleute zu begrüßen und Neuigkeiten auszutauschen. Zumal in deutscher Sprache…«
Charlotte zögerte. Das Angebot war verlockend, ein wenig Komfort, in einem richtigen Bett schlafen, eine Plantage sehen. Und doch gefiel ihr etwas daran nicht, vielleicht war es der Übereifer, mit der die Einladung ausgesprochen wurde, diese Art, jemanden mit seiner Gastfreundschaft förmlich zu überrumpeln. Unsicher schwieg sie, während Dr.
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