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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bach
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konnte nur eine Mahlzeit am Tag ausgeben. Der Junge war jedoch so gepeinigt, dass er sowieso keine Nahrung zu sich nehmen konnte.
    Zurück im Büro, schob er den Teller zur Seite und bat Shira, ihm einen Becher Kaffee einzugießen. Die Hand, mit der er den Becher an den Mund führte, zitterte leicht, er hatte seit vorgestern kaum geschlafen und heute die Nacht durchgearbeitet, jetzt war es später Nachmittag. Während er den schwarzen Kaffee trank, fiel sein Blick auf den Fernsprecher an der Wand, und ihm schien, als starre ihn das Zyklopenauge des Holzkastens boshaft an.
    Weshalb war Charlotte so kurz angebunden gewesen? Die Betroffenheit darüber hing ihm seit Tagen nach. Fünf Jahre lang hatten sie einander nicht gesehen, doch als er jetzt ihre Stimme gehört hatte, war es, als sei die Zeit stehen geblieben.
    Was hatte er am Fernsprecher nur für einen Unsinn geredet– es war kein Wunder, dass sie nichts darauf zu sagen wusste. Das Glück. Charlotte war kein Mensch, der wie er dem Glück hinterherlief. Sie tat das, was notwendig war, mutig und zuverlässig, sie folgte nicht irgendwelchen Träumen, sie packte das Leben an, nahm, was sich ihr bot. Vielleicht hatte sie gerade darum das Talent, glücklich zu sein. Max von Roden war der Richtige für sie gewesen, aufrecht und ehrlich, einer, der sich ein erreichbares Ziel setzte, kein Phantast und Glückssucher wie ein gewisser George Johanssen.
    Eine schwarze Krankenschwester stürzte in den Raum und fragte nach frischem Verbandsstoff. Er schickte sie in den Lagerraum, wo noch eine Kiste stand; wenn die verbraucht war, würde man auf die gewaschenen alten Verbandsstoffe zurückgreifen müssen. Als sie fort war, überlegte er, ob er hinüber in die Aufnahme gehen sollte; er wusste, dass noch Kranke vor dem Gebäude saßen, die man bisher wegen des großen Andrangs nicht eingelassen hatte. Doch stattdessen blieb er tatenlos auf seinem Stuhl sitzen und überließ sich seinen düsteren Gedanken.
    Er hatte einst auf Sansibar versucht, Charlotte zu verführen, und er schämte sich zutiefst, wenn er daran dachte. Damals hatte er wider sein eigenes Gewissen, wider seinen festen Vorsatz gehandelt. An diesem verfluchten Tag hatte er sich ihre Zuneigung zum zweiten Mal und damit endgültig verscherzt, aus purem Leichtsinn, aus Dummheit, weiß der Teufel aus welchem Grund noch, vermutlich deshalb, weil es ihm gelungen war, das schlummernde Feuer in ihr zu wecken. Sie hatte ihn als haltlosen Verführer erlebt und verachtete ihn seitdem. Deshalb ihre kurzen Antworten. Vielleicht war dieser Eindruck nicht einmal falsch– es war ihm noch niemals gelungen, eine Frau für längere Zeit glücklich zu machen. Er dachte an seinen Besuch auf der Plantage vor fünf Jahren, durchlebte noch einmal das peinigende Gefühl, dass ein anderer gekommen war, dem nun gehörte, was er verspielt hatte. Ein netter, anständiger Bursche, der vielleicht sein Freund hätte sein können, aber so wie die Dinge lagen, hatte er sich vorgenommen, nie wieder dorthin zurückzukehren. Er hatte zwei Jahre in Ägypten verbracht, dann in einer Klinik in Südafrika gearbeitet und war schließlich nach England gereist, weil er Sehnsucht nach seinen Kindern verspürt hatte. Es war eine unsinnige Idee gewesen, Marie hatte sich vehement gegen ein Treffen gewehrt, und er hatte schließlich resigniert, um seinen Kindern den Zwiespalt zu ersparen. Nur einmal hatte er sie gesehen, in der Regent Street, als ein Automobil an ihm vorüberratterte und er auf dem Rücksitz Marie erkannte. Neben ihr saß Berta, gekleidet wie eine junge Dame, ihnen gegenüber Johannes, den er kaum wiedererkannte. Er war sich sicher, dass auch Marie ihn gesehen hatte, doch sie zeigte keinerlei Regung, und auch er verharrte stumm und reglos, blickte dem Automobil nach, bis es im Verkehrsgewühl verschwand.
    Es reichte langsam mit dem Selbstmitleid. Er stellte den leeren Becher neben die Kaffeekanne, räumte den halb abgegessenen Teller zur Seite und begab sich zur Aufnahme. Er würde bis heute Abend durcharbeiten, allerdings keine Operationen durchführen, sondern nur Diagnosen stellen und Wunden behandeln. Danach wollte er in sein Quartier nahe der Inderstraße gehen und ein paar Stunden schlafen. Er arbeitete ehrenamtlich im Krankenhaus und bekam keinen Lohn, dafür nahm er sich die Freiheit, seine Arbeit nach eigenem Gutdünken einzuteilen.
    In dieser Nacht schlief er wie betäubt, ohne ein einziges Mal aufzuwachen, trank am Morgen etwas Whisky,

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